Frank Wingold – To Be Frank
Frank Wingold und sein ‘orchestraler Ansatz‘ auf der 7-saitigen Gitarre
Er zeigt ein umfangreicheres und tieferes Klangspektrum, um seine Gitarre auf ähnliche Art wie ein Klavier spielen. Beeindruckend.
Nach seinem von der Kritik vielgelobten Trio-Album Entangled Music legt der Kölner Gitarrist und Komponist Frank Wingold mit einem Soloalbum nach. Auf To Be Frank führt er einige der Ideen fort, die er auf Entangled Music umgesetzt hatte. Allen voran seine Fähigkeit, als Solospieler einen mehrstimmigen Sound zu kreieren. „Ich liebe Synchronizität. Ereignisse, die zur gleichen Zeit passieren und die sich miteinander vereinen und verzahnen“, erklärt Wingold, der als Professor für Jazzgitarre an der Musikhochschule Osnabrück lehrt. Er ergänzt: „Am besten funktioniert das, wenn ich mich einfach nur hinsetze und drauf los spiele. Ohne technische Effekte oder Hilfsmittel – abgesehen von einem Verstärker vielleicht.“ Mittlerweile spielt er 7-saitige Gitarren, mit denen er aus einem umfangreicheren und tieferen Klangspektrum schöpfen kann. Auf diese Weise kann er seine Gitarre auf ähnliche Art wie ein Klavier spielen. Wingold selbst spricht sogar von einem „orchestralen Ansatz“ seines Instruments.
Dazu verwendet er zwei 7-saitige Gitarren mit unterschiedlicher Wirkung. Eine Archtop-Jazzgitarre und eine klassische Gitarre mit Nylonsaiten. „Statt der klassischen Plektrumtechnik benutze ich meine Finger und Fingernägel. So habe ich – auch wenn ich Melodien spiele – schnellen Zugriff auf sämtliche Saiten. Ob Melodie, Akkorde, polyphone Passagen oder Arpeggios – ich brauche meine Technik nicht zu ändern“. Mit viel Gefühl erschafft Wingold auf diese Weise einen Sound, bei dem die normalerweise festgelegten Rollen (Bass, Melodie und Akkorde) aufgehoben sind. „Ein Ansatz, der schon oft von Jazzpianisten, aber nur selten von Gitarristen aufgegriffen wurde. Ich möchte solche Konzepte auf die Gitarre übertragen.“ So wie auf To Be Frank, das jeweils zur Hälfte aus Improvisationen und Kompositionen besteht.
Die Improvisationen auf diesem Album – bei dem komplett auf Overdubs verzichtet wurde – verdeutlichen seinen spielerischen Ansatz. „Ich wollte luftig gehaltene Fragmente zusammenbringen, die aus wenig oder überhaupt nicht vorbereitetem Material bestehen. Einzelne Skizzen oder Motive, die nicht arrangiert oder komponiert sind“, so Wingold. Entsprechend sieht er diese Improvisationen nicht als vorbereitete Aufnahmen, sondern als spontane Performances, die sich durch ihre beeindruckenden, dramaturgischen Spannungsbögen auszeichnen.
Die meisten der übrigen Stücke sind Adaptionen oder Standards. „Die habe ich mir bewusst vorgenommen – allerdings nicht in der klassischen Tradition eines Joe Pass“, stellt Wingold klar und erklärt: „Mein Ansatz ist abstrakter, aber die Verbindung zu den Originalen ist immer noch da. So hat sich der Jazz entwickelt. Die Musiker haben immer und immer wieder die gleichen Stücke gespielt, was ihnen irgendwann zu langweilig wurde. Also fingen sie an, zu variieren, die Melodien zu verändern und zu improvisieren. Aber stets so, dass das Publikum die Originale wiedererkennen konnte.“
Joshua – eine Komposition von Victor Feldman – ist vor allem durch die Adaption von Miles Davis und seinem Quintett bekannt geworden. „Bei diesem Stück ist es eine echte Herausforderung, Basslinie, Akkorde und Melodie synchron zu spielen“, sagt Wingold. Feels Like Funkin‘ it up basiert auf der Transkription einer Brass Band aus New Orleans, „mit improvisierten, mehrstimmigen Passagen von Trompete, Saxofon und Posaune in Melodie und Begleitung – ebenfalls herausfordernd, das auf die Gitarre zu übertragen.“ It might as well be Spring ist „impressionistisch gespielt“, während sich im Stück The Song is You Flageolett-Patterns mit einer Melodielinie vermischen, auf der das Arrangement basiert.
My Shining Hour beginnt Wingold mit düsteren Akkorden, ehe er im weiteren Verlauf das gesamte Klangspektrum seiner 7-Saiter nutzt. In Alone Together und I’ll Be Seeing You „verfolge ich wieder meinen speziellen Ansatz, mehrstimmig zu improvisieren, indem ich Melodie-, Basslinien und Akkorde übereinanderlege“, so der Gitarrist.
Escapade ist die einzige Eigenkomposition von Wingold. „Mir kam eine Idee, die ich aufschrieb und die gut als Solo-Nummer funktionierte. Da dachte ich: wäre doch schön, zumindest eine eigene Komposition mit auf das Album zu nehmen.“
Neben Bluesgitarristen der 1930er und 1940er Jahre wie Reverend Gary Davis und Mississippi John Hurt haben Wingold diverse Konzertgitarristen beeinflusst. „Zu meinem Solospiel haben mich aber auch Pianisten inspiriert, die für ihr mehrstimmiges Spiel bekannt sind – so wie Keith Jarrett und Brad Mehldau, aber auch klassische Komponisten wie Bach, Benjamin Britten, Frank Martin, Reginald Smith Brindle oder Leo Brouwer.“
Wingold ist der festen Überzeugung, dass längst noch nicht alle Möglichkeiten des Gitarrespielens ausgeschöpft sind. Auf seinem Album To Be Frank kombiniert er Virtuosität mit einer Vielzahl musikalischer Einflüsse, mit denen er seinem Publikum ein ebenso unterhaltsames, wie anspruchsvolles, bahnbrechendes Musikerlebnis beschert.
Frank Wingold – To Be Frank
Berthold Rec/4250647320078/LC27984/Vertrieb: Cargo
Veröffentlichung: 05. März 2021