Luca Sisera ROOFER – CLAZZ

Jazz und Klassik vereint. Musik ohne Berührungsängste und Scheuklappen und ein feiner Instinkt für Mehrstimmigkeit, Klangkultur und Komplexität

Der Schweizer Bassist und Komponist Luca Sisera hat ein abenteuerliches genreübergreifendes Werk komponiert, welches er im Herbst 2022 mit seinem Jazzquintett ROOFER und einem 41-köpfigen Sinfonieorchester uraufgeführt und aufgenommen hat. Das beeindruckende Resultat wird nun als Live Album veröffentlicht.

Luca Sisera ist ein Künstler, der mit seinem Quintett ROOFER eine spartenübergreifende Neugier und Offenheit lebt, der seit langem und intensiv, fernab von einem Schubladendenken, an musikalischen Gattungsrändern experimentiert, sei es als Komponist oder als Bassist. Das gilt exemplarisch für sein neues, ambitiöses Projekt «CLAZZ», dessen experimentelle Offenheit die Zuhörerinnen und Zuhörer einlädt, sich auf eine herausfordernde musikalische Expedition ohne stilistische Berührungsängste einzulassen.

Das aus fünf Sätzen bestehende über 70 Minuten dauernde Werk, verlangte eine knapp 2-jährige Kompositionsarbeit. Obwohl CLAZZ auch Kompositionen beinhaltet, welche früher bereits im Quintett gespielt und veröffentlicht wurden, enthält das Werk über weite Strecken komplett neu komponiertes Material. Die in CLAZZ eingeflochtenen und neu arrangierten älteren Kompositionen, welche zum Teil auch die einzelnen Sätze betiteln, wurden durch zahlreiche neue Abschnitte dermassen ausführlich und intensiv erweitert, dass die Urkompositionen letztlich noch einen kleinen Bruchteil des Werkes ausmachen. Wer also denkt, dass es sich hier lediglich um Orchesterversionen altbekannter ROOFER Stücke handelt, hat demnach weit gefehlt. Vielmehr inkludiert CLAZZ diese als gemeinsamen Nenner in Bezug auf die originale ROOFER Quintettmusik und als musikalischen Anknüpfungspunkt, um wie der Komponist und Saxophonist Daniel Schnyder es treffend in den Liner Notes beschreibt „wider aller technischen Schwierigkeiten, unvorsichtig, eine kraftvolle musikalische Rakete zu entwerfen und zu neuen Hörgalaxien aufzubrechen.“

CLAZZ will mehr sein, als nur ein Schlagabtausch von Orchester und Jazzband. Auch war es nie von Siseras Interesse sein Quintett von einem Orchester einfach begleiten zu lassen. CLAZZ will mehr. Das Projekt hat den Anspruch der Synthese. Klassik und Jazz sollen sich also vereinen. Dazu meint Sisera: „Ich pendle dabei gerne zwischen Stilistiken, zwischen Vertrautem und dem Ungewohnten, Unerforschten und Unerhörten, ohne die Extreme einander gegenüberzustellen. Vielmehr versuche ich detailliert auskomponierte Musik und kollektive und gebundene Improvisation zu vereinen bzw dessen korsetthaft wirkenden Grenzen aufzulösen. In diesem Risikofeld fühle ich mich als Künstler wohl.“ Dabei fällt auf, dass Sisera, anhand ausgeklügelter Konzepte, auch die Orchestermusiker:innen improvisatorisch mit einbindet, wodurch der Musik eine einzigartige Kraft verliehen wird. Das stilistisch nicht einzuordnende Werk fasziniert durch eine erfrischende dogmenbefreite Authentizität, welche sowohl Jazz- als auch Klassikhörer:innen auf eine erfrischend neue Art und Weise ansprechen soll.

Exklusiv für das Projekt wurde ROOFER leicht umbesetzt. Um die 46 Musiker:innen zuverlässig durch die rhythmisch oft komplexe Materie navigieren zu können, wurde der Perkussionist Dario Sisera hinzugezogen. Im Gegenzug wurde die ursprünglich doppelt besetzte ROOFER Bläserfront reduziert. Die deutsche Altsaxophonistin Luise Volkmann übernimmt bei CLAZZ die Front und prägt das Projekt eindrücklich mit ihren musikalischen und improvisatorischen Fähigkeiten. Die Umbesetzung beinhaltet aber auch, dass Luca Sisera seinen Posten als Bassist der Band für die Aufnahmen kurzzeitig (für zukünftige Aufführungen wird Sisera seinen Platz am Kontrabass wieder einnehmen) abgegeben hat, um sich mit maximalem Fokus auf seine Arbeit als Komponist, musikalischer Leiter und die Umsetzung konzentrieren zu können. Der mit Sisera befreundete Wiener Bassist Andreas Waelti fügte sich erstaunlich gut in das Quintett ein und gestaltet die Aufnahme durch sein charaktervolles und druckvolles Kontrabassspiel massgeblich mit. Die beiden Stammmitglieder Yves Theiler (Piano) und Michael Stulz (Drums) komplettieren die Band mit ihren hervorragenden instrumentalen und interaktiven Stärken in gewohnter Manier.

Die Kammerphilharmonie Graubünden, welche für den Orchesterpart dieser Live Aufnahme verantwortlich ist, meistert die herausfordernde komplexe und polychrome Partitur mit Bravour, was sicherlich auch dem jungen, stiloffenen und jazzerprobten Dirigenten Gaudens Bieri, seines Zeichens u.a. auch Leiter der Lüneburger Symphoniker, zu verdanken ist, welcher das Orchester hörbar mit viel Enthusiasmus und Verve durch das unkonventionelle und brückenschlagende Werk führt.

Luca Sisera arbeitet quasi autobiographisch. „Meine Stücke sind immer sehr persönlich. Ganze Geschichten stecken dahinter“, meint er. Seine Musik verstehe er «als eine Reflexion über unsere Zeit und mein eigenes Leben und die unmittelbare Reaktion darauf.» Die Kompositionen würden somit «persönliche Erlebnisse und Beobachtungen aus dem Alltag» spiegeln. Die Initialerlebnisse von denen Sisera erzählt, sind so unterschiedlich und absolut persönlich; ihre Bedeutung erschliesst sich für jemanden anderes kaum. Sisera ist das egal. Was ihn beim Komponieren inspirierte, scheint wie auch die stilistische Einordnung, keine Rolle mehr zu spielen. Denn CLAZZ will nur eines sein: Musik ohne Berührungsängste und Scheuklappen.

www.clazz.ch

www.roofer-music.com

ROOFER

Luca Sisera, Bandleader und Komponist

Luise Volkmann, Altsaxophon

Yves Theiler, Piano

Andreas Waelti, Bass

Dario Sisera, Perkussion

Michael Stulz, Drums

DIRIGENT:

Gaudens Bieri

ORCHESTER: