KUHN FU – TANTALOS

zwischen allen Stühlen: Big Band, Hard Rock, Metal, Punk und Sinfonische Musik sind die zentralen (und gleichwertigen) Zuflüsse. Das Titelstück, ‚Tantalos‘, ist für den Deutschen Jazzpreis 2023 als „Komposition des Jahres“ nominiert worden.

Was ist denn das jetzt wieder? Eine Gitarre, die klingt, als würde gleich Metallicas Sandmann um die Ecke kriechen; darüber dann ein erster vorsichtiger, aber doch vehementer werdender Big-Band-Bläsersatz, in den sich bald ein schwer groovendes Schlagzeug und eine Rockgitarre reinschrauben. In den noch bleibenden sechs Minuten des Stücks „Tantalos“ wechseln Jazz-Sensibilität und die Rockaxt sich ab. Und finden immer wieder zusammen.

Auf „Tantalos“ bleiben Kuhn Fu da, wo sich das Ensemble um den Gitarristen Christian Kühn seit 2012 offenbar am wohlsten fühlt: zwischen allen Stühlen. Das gilt nicht nur in Hinsicht auf den ganzen Jazzrock-Komplex – für Rockmusik zu sehr Jazz, für Jazz zu sehr Rockmusik –, sondern auch für die konsequente Verweigerung von fahler musikalischer Ernsthaftigkeit. Big Band, Hard Rock, Metal, Punk und Sinfonische Musik sind die zentralen (und gleichwertigen) Zuflüsse.

Im Zweifelsfall biegen die Kompositionen Kühns in den Humor ab. Das zweite Stück auf „Tantalos“ zum Beispiel, „Mustapha Bronco“, das von einem Bierbankbläsersatz zusammengehalten wird, über den Gitarre, Klarinette und Saxofon dann nacheinander kleine und eben auch sehr schöne Melodien und Soli spielen. Es folgen eine Skizze („Slacker’s Fanfare“) und eine Ballade, die an die elegischeren Stücke von Ennio Morricone erinnert („Shattered“). Das Album endet mit „Kit Kat Kuhn“ und damit mit fünf Minuten Polkafunk.

Das Titelstück, „Tantalos“, ist für den Deutschen Jazzpreis 2023 als „Komposition des Jahres“ nominiert worden. Die Jury hörte „eine beeindruckende und eindringliche Musik, die sich zunächst langsam und unauffällig geriert, um sich dann plötzlich in voller Pracht zu entfalten“ und sah einen „fast schon Zappa-artigen Ansatz“. Aber da ist natürlich noch mehr: Das mit Christian Kühn (Gitarre, Komposition), Kelly O’Donohue (Trompete), Edith Steyer (Altsaxophon, Klarinette), John Dikeman (Tenorsaxophon, Bass-Saxophon), Jason Liebert (Posaune, Sousaphone), Ziv Taubenfeld (Bassklarinette), Sofia Salvo (Baritonsaxophon), Esat Ekincioglu (E-Bass), und George Hadow (Schlagzeug) international besetzte Ensemble, das Christian Kühn hier zusammengestellt hat, verdichtet maximal viel an Einflüssen und Referenzen auf engstem Raum. Die EP „Tantalos“ dauert gerade einmal 22 Minuten, in denen allerdings mehr Ideen, Romantik und Theatralität durchklingen als sonst bei anderen Jazz-Ensembles auf ganzen Alben. „Tonal gespielt und dann überspitzt, darum geht es“, erzählt Kühn. „Deswegen klingt es immer wieder mal parodistisch.“

TOUR DATES – KUHN FU (kuhnfumusic.com)

BERTHOLD records/BR323031/4250647323031/Vertrieb: Cargo

 VÖ: 30.6.2023

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