We Don’t Suck, We Blow! – Chimneys
Ein faszinierender Einklang eines weiten Horizonts von Einflüssen, Traditionen, Spiel- und Hörweisen, den man in dieser Konsequenz sonst selten hört. Die Hamburger Band lässt Momente von Funk, Metal, Cool Jazz, Exotica, Hip- und TripHop sowie Lounge Pop ohne postmodernen Clash ineinander fließen.
Es gibt Musik, die ist immer genau das, was sie gerade nicht ist. Und sie wird auch nie das sein, was man von ihr erwartet, aber Erwartungen triggern, mit denen sie selbst gleich wieder bricht. All diese Merkmale treffen exakt auf „Chimneys“, das dritte Album der Hamburger Band We don’t suck, we blow! zu.
We don’t, suck we blow!: Vor über zehn Jahren gegründet, entschied man sich in Anlehnung an ein Zitat in einer britischen Comedy Serie für diesen Bandnamen – und steht seitdem dazu, denn er bedeutet im slangtechnisch übertragenen Sinne so viel wie: Wir sind nicht schlecht, wir sind Scheiße.
Dass sich aus dieser verbalen Provokation im Lauf eines Jahrzehnts ein Fall von augenzwinkerndem Understatement entwickelt hat, wird auf „Chimneys“ schon nach wenigen Takten überdeutlich. Momente von Funk, Fusion, Metal, Cool Jazz, Exotica, Hip- und TripHop sowie Lounge Pop fließen hier in wenigen Augenblicken osmotisch ineinander, ohne jedoch auf den üblichen postmodernen Clash hinauszulaufen, sondern sie ergeben eine linear logische Songstruktur. Man könnte jede Menge zusätzlicher Stilbegriffe hinzufügen, doch alles Definierbare wird von der Band selbst nach einigen Momenten schon wieder ad absurdum geführt. Wie war das noch gleich? Es ist immer genau das, was es gerade nicht ist. Und so bleibt es auch. Dem Sextett gelingt es dabei, ein Höchstmaß an kollektiver Identität an den Tag zu legen, denn wo immer sie sich für den Bruchteil eines Augenblicks gerade tummeln mögen, die sechs Mitglieder von We don’t suck, we blow! selbst sind die große Konstante in ihrer Musik, die mit ihrer Signatur als Band immer erkennbar bleiben.
Die Band besteht aus Posaunist Chris Lüers, Saxofonist Adrian Hanack, Keyboarder und Elektroniker Umut Abaci, Gitarrist Florian Kiehn, Bassist Falko Harriehausen und Schlagzeuger Johannes Metzger. Ihre Backgrounds könnten unterschiedlicher nicht sein. Einige Mitglieder der Band kommen aus der Klassik, andere aus dem Jazz, Funk, HipHop oder Pop. Einige haben ein langes Studium absolviert, andere haben über alternative Zugänge zur Musik gefunden. Alle eint jedoch der Wille, sich nicht festlegen zu lassen und den gemeinsamen wie individuellen Horizont permanent zu erweitern. Diese gebündelte Neugier springt aus jedem einzelnen Ton heraus. Jedes Motiv verrät bereits die unbändige Vorfreude auf die jeweils nächste spielerische Äußerung, hinter der schon wieder das übernächste Thema lauert. Melodien, Grooves, Sounds, harmonische Texturen lösen einander in raschem Wechsel ab, durchdringen einander, ziehen sich gegenseitig den Boden unter den spielerischen Füßen weg oder fahren miteinander Karussell. Und wenn man sich endlich sicher ist, dass diese dichte Folge einander bedingender Gegensätze immer so weiter geht, kann die Band auch mal ausgiebig in einem schönen Thema baden.
Anything goes? Keineswegs. Eher das Gegenteil. Die Band schließt zwar nichts aus, aber es geht hier nicht um ein Showcase der spielerischen Möglichkeiten oder im Bandkontext ausgelebten persönlichen Vorlieben. „Wir versuchen Situationen zu vermeiden, in der sich irgendein Mitglied der Band unwohl fühlt. Indem jeder in der Gruppe mitbestimmt, entsteht eine Art Polylog“, beschreibt Adrian Hanack die Arbeitsweise der Sechs. „We don’t suck, we blow! ist eine Plattform, in der wir alles spielen können, womit wir uns wohlfühlen.“ Und Lüers ergänzt: „Wir wollten von Anfang an eine Formation haben, bei der jeder die Band aus einer anderen Richtung denkt.“
Sechs Musiker, die auf so lange Zeit einvernehmlich miteinander Musik machen, sind schon mehr als ein Projekt. Es ist nicht zu hochtrabend, in We don’t suck, we blow! einen gesellschaftlichen Entwurf und in „Chimneys“ eine Utopie im Klang zu sehen. Eine Band mit einem höchst inklusiven Ansatz, in dem sich jede Meinung, Haltung und Vorliebe Gehör verschaffen kann, ohne von den jeweils gegenteiligen Meinungen, Haltungen und Vorlieben diffamiert und an die Wand gedrückt fühlen zu müssen. Hier geht es nicht um krasse Brüche, auch um kein kalkuliertes Gegen- oder hingenommenes Nebeneinander, sondern in jeder einzelnen Sequenz um ein Miteinander, das auf gegenseitigem Zuhören und der Akzeptanz des großen Ganzen beruht. Diese Musik funktioniert nur deshalb so stimmig, weil sie so divers ist. Aus der Offenheit aller sechs Bandmitglieder und ihrer jeweiligen persönlichen Beiträge erwächst ein stabiles Sechseck, dass offen für weitere Einflüsse ist.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Wenn We don’t suck, we blow! auf die Bühne oder ins Studio gehen, spielen solche Gedanken bestenfalls unterbewusst eine Rolle. Dann bringen sie einfach nur die Musik zu Gehör, die sie spielen müssen, weil ihnen sonst etwas im Leben fehlt. Und doch ist Musik ja immer mehr als nur eine Kombination von Noten, Harmonien, Rhythmen und Klängen. We don’t suck, we blow! finden mit „Chimneys“ zum faszinierenden Einklang eines weiten Horizonts von Einflüssen, Traditionen, Spiel- und Hörweisen, den man in dieser Konsequenz sonst selten hört.
Jazzlab / LC 52294 / CD 30623 / 4251896106239 / LP 30624 / 4251896106246 /
Vertrieb: Broken Silence
VÖ 10.5.2024
Live
09.05.24 Hannover // Kulturpalast Linden
10.05.24 Berlin // Donau 115
11.05.24 Rostock // Jazzclub Rostock
16.05.24 Jena // Jazzclub international
17.05.24 Hamburg // Jupiter
18.05.24 Hamburg // White Cube
31.05.24 Lübeck // Live CV
29.06.23 Aachen // GZM