Phillip Dornbuschs Projektor – Revolt

Protestmusik. Eine Verneigung vor den Menschen im Kampf gegen Unterdrückung.

Was den Sound von Projektor vor allem auszeichnet, ist seine ungeheure Lebendigkeit.

Für Diktaturen kann Musik gefährlich werden. Wäre dem nicht so, würde sie nicht immer wieder verboten werden. In Demokratien herrscht dagegen Kunstfreiheit, die meisten Menschen können sich in ihnen frei äußern.

Der Saxofonist Phillip Dornbusch hat sich mit seiner Band Projektor vorgenommen, die Aufmerksamkeit des Publikums auf Musik zu lenken, die in Momenten entstand, in denen sich Menschen in Vergangenheit und Gegenwart nicht in einer Demokratie, nicht in Freiheit befanden. Projektor nimmt Bezug zu Liedern auf, die nicht nur einfach Unterhaltung oder l’art pour l’art sind, sondern real etwas zum Einsturz bringen und Unterdrückung ein Ende setzen wollen. Protestmusik. Die meisten Stücke auf dem dritten Projektor-Album, das den Titel Revolt trägt, speisen sich aus Liedern, die in Iran und Estland entstanden sind und während der Aufstände gegen das sowjetische Regime beziehungsweise die Islamische Republik gesungen wurden.

Aber auch ohne die Verbindung zu Protest und Kampf wirkt die Musik von Projektor ganz unmittelbar. Das Zusammenspiel der fünf Musiker:innen hatte schon auf den beiden Alben „Reflex“ (2021), sowie auf „Re|Construct“ (2023) etwas traumwandlerisch-sicheres. Johanna Summer, Johannes Mann, Roger Kintopf und Philip Adrian Dornbusch organisieren sich um meist vom Saxophon Dornbuschs getragene Melodien und Themen, weichen ab und kehren wieder zurück, um ein anderes Instrument, eine andere Idee, eine andere Klangfarbe in den Vordergrund treten zu lassen. Dieses Zusammenspiel hat auf Revolt das nächste Level erreicht. Man hört es in fast jedem Takt: Die Kommunikation der Musiker:innen ist so intuitiv und genau aufeinander abgestimmt, dass die Musik sich frei entfalten und gleichzeitig Songstruktur behalten kann. Dornbusch organisiert in seinen Kompositionen musikalische Freiheit. Und eben die spielt auch in Bezug auf die Protestmusik eine Rolle. Revolt mit einem Bild der Solidarität: „Take My Hand“ basiert auf „Mu Isamaa On Minu Arm“, der estnischen Hymne der Unabhängigkeitsbewegung von der Sowjetunion. Der Titel bezieht sich auf die Menschenkette, die am 23. August 1989 etwa eine Million Menschen über eine Strecke von über 670 Kilometern von Tallinn über Riga bis Vilnius miteinander verband.

„The Art of Resistance“, „Run“ und „Walk“ lassen sich zurückbinden an „Soroude Koocheh“, ein Lied, das in der iranischen Bewegung „Frau – Leben – Freiheit“ der letzten Jahre immens bedeutsam ist. Der dritte Bezugspunkt auf Revolt ist „Baraye Azadi“, das wohl am häufigsten gesungene Lied jener Bewegung. Es taucht wieder auf im Projektor-Stück „Rotten Brains“, und an dieser Stelle wird besonders deutlich, wie die künstlerische Bezugnahme einer westeuropäischen Jazzband auf vergangene und aktuelle Proteste und Revolte in diesem Fall aussieht. Die Kompositionen Phillip Dornbuschs nehmen nicht mehr als musikalische Spuren aus den Stücken auf: eine Struktur, ein Rhythmus, ein Melodiefragment, und verwandeln diese dann in eigene Musik. Diese sehr offene Bezugnahme verhindert den Kitsch, der hätte entstehen können, wenn Privilegierte so tun, als seien die Kämpfe ihre eigenen.

Bei Projektor ist die Differenz immer hörbar, auch wenn demokratische Errungenschaften auch hierzulande keine Selbstläufer sind. „Die Idee mit den Protestsongs finde ich auch deshalb so passend, weil die Demokratie und Freiheit, in der wie hier leben, schon lange nicht mehr so in Gefahr waren wie jetzt“, sagt Phillip Dornbusch. „Die Idee des Albums ist auch, darauf aufmerksam zu machen, dass das, was wir als selbstverständlich ansehen, hart erkämpft wird und wurde und nicht automatisch erhalten bleibt.“

Die Musik auf Revolt ist keine Aneignung, sondern eine Verneigung vor den Menschen im Kampf gegen Unterdrückung. Was den Struktur und Offenheit verbindenden Sound von Projektor vor allem auszeichnet – und da ist die Verbindung zur freiheitsliebenden Revolte auf einer andere Ebene präsent – ist seine ungeheure Lebendigkeit.

 

LIVE

11.09.24 – LOCH Wuppertal

12.09.24 – ZIG ZAG Berlin

 

Credits:

Phillip Dornbuschs Projektor

Mixing engineer: Martin Ruch at Control Room Berlin
Master engineer: Martin Ruch at Control Room Berlin

Producer: Martin Ruch und Phillip Dornbusch
Composer: Phillip Dornbusch

Recorded: Tobias Ober u. Martin Ruch at Bonello Studio Berlin

All performers:

Phillip Dornbusch – Saxophon

Johanna Summer – Piano

Johannes Mann – Gitarre

Roger Kintopf – Bass

Philip A. Dornbusch – Drums

Graphic design + Künstlername des Bildes:

Design: Knut Schötteldreier

Cover picture: Tim Berresheim

Fotocredits (Pressefotos): Niclas Weber

Johanna Summer appears courtesy of ACT Music

 

https://www.phillipdornbusch.com/projektor

Berthold Rec  BR324090 /  LC 27984 / 4250647324090  / Vertrieb: Cargo

VÖ: 20.09.2024


Live

11.09.24 – LOCH Wuppertal

12.09.24 – ZIG ZAG Berlin

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