Ambrose Akinmusire - Origami Harvest
Ambrose Akinmusire - Origami Harvest
Blue Note 00602567737414 / Universal
VÖ: 12.10.2018
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Live:
15.10.18 Pforzheim Jazz Club
16.10.18 Ludwigshafen Enjoy Jazz
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Tracklisting
1. a blooming bloodfruit in a hoodie
2. miracle and streetfight
3. Americana / the garden waits for you to match her wilderness
4. particle / spectra
5. Free, White and 21
6. the lingering velocity of the deads' ambitions
Auf seinem vierten Blue-Note-Album betritt der gefeierte Trompeter Ambrose Akinmusire abenteuerlustig musikalisches Neuland. “Origami Harvest” ist eine überraschend in sich geschlossene Studie von Kontrasten, in deren Verlauf Akinmusire mit dem New Yorker Mivos-Streichquartett und dem experimentellen Art-Rapper Kool A.D. (Das Racist) zeitgenössische Klassik und dekonstruierten Hip-Hop einander gegenüberstellt, aber auch immer wieder auf die Gebiete des Jazz, Funk, Spoken Word und Soul ausbricht. Zur Seite steht Akinmusire dabei außerdem seine eigene Band mit dem Pianisten Sam Harris, Drummer Marcus Gilmore und Saxophonist Walter Smith III. “Origami Harvest” entstand als Auftragskomposition für die Liquid Music Series in St. Paul und das Ecstatic Music Fest in Manhattan.
“Was ist die verrückteste Idee, die du auf Lager hast?” Mit dieser Frage von Judd Greenstein, dem Kurator des Ecstatic Music Fest, begann die Geschichte von “Origami Harvest”. Ambrose Akinmusire musste nicht lange nachdenken und antwortete postwendend: “Ich möchte ein Projekt über Extreme machen und Dinge, die scheinbar gegensätzlich sind, direkt nebeneinander stellen.”
Thematisch ist “Origami Harvest” ein hochaktuelles Album geworden. In den Songs geht es um die derzeitige gesellschaftliche Spaltung, um die Art und Weise, wie die Politik die Menschen in den USA emotional in Geiselhaft nimmt, und um die ständig anwachsende Liste der schwarzen Leben, die durch strukturellen Rassismus beendet werden. Wie die drei vorangegangenen Blue-Note-Alben des gebürtigen Oaklanders ist auch “Origami Harvest” ein Werk auserlesener Schönheit und grandioser Kunstfertigkeit. Jeder Track ist eine Welt für sich, in der mühelos unterschiedlichste Stimmungen und Tonarten durchquert werden.
“Origami”, versucht Akinmusire den Albumtitel zu erklären, “bezieht sich auf die verschiedenen Arten, wie Schwarze, vor allem Männer, sich ‘zusammenfalten’ müssen, sei es wenn sie scheitern oder um in eine Schablone zu passen. Während ich die Musik für das Album schrieb, wurde ich außerdem Vater eines Sohnes und dachte über diese Zyklen nach, die sich wiederholen. So kam ich auf ‘Harvest’ (Ernte).”
Ambrose Akinmusire ist ein Künstler, der sich in kurzer Zeit rasant entwickelt hat. Aufgewachsen ist er in den 80ern in North Oakland. Sein Vater, der aus Lagos stammt, versorgte ihn mit einer guten Arbeitsethik und einem Stapel nigerianischer Platten. Die Mutter, in Mississippi geboren, beschallte den kleinen Ambrose wiederum mit Funkadelic und an Sonntagen mit seiner Lieblingsaufnahme: “Amazing Grace” von Aretha Franklin. Sie achtete auch darauf, dass er immer etwas zu tun hatte und nicht auf dumme Gedanken kommen konnte. Seinen Weg zur Musik fand er aber eigentlich ganz allein schon mit zwei Jahren - er konnte es einfach nicht lassen, auf dem Klavier seiner Oma herumzuklimpern. Deshalb ließen ihn seine Eltern früh Unterricht nehmen. Dann lernte er Schlagzeug und Trompete spielen, nahm an Musiklagern teil, spielte in Bands und besuchte Workshops. Obwohl es keine leichte Zeit war, sagt Akinmusire zufrieden: “Ich bin in einer sehr schwarzen, kulturell reichen, stolzen Gegend von Oakland aufgewachsen.” Einer seiner Mentoren war ein ehemaliger Black Panther.
Seine Tatkraft ist ungebrochen geblieben. Er bewies sie in seiner Highschool-Zeit, als er bei einem Workshop Steve Coleman so sehr beeindruckte, dass dieser ihn vom Fleck weg für seine gefeierte Band Five Elements engagierte. Sie verließ ihn auch nicht, als er an der Manhattan School of Music, der University of Southern California (wo er seinen Master machte) und dem Thelonious Monk Institute of Jazz (bei Herbie Hancock und Wayne Shorter) studierte. 2007 gewann er zwei der renommiertesten internationalen Jazzwettbewerbe: den Thelonious Monk International Jazz Competition und den Carmine Caruso International Jazz Trumpet Solo Competition. Kurz danach brachte Ambrose Akinmusire sein beeindruckendes Debütalbum “Prelude: To Cora” heraus. Nachdem er von Kalifornien wieder nach New York zurückgezogen war, begann er Zusammenarbeiten mit Esperanza Spalding und Jason Moran und zog die Aufmerksamkeit von Bruce Lundvall auf sich, der ihm einen Plattenvertrag bei Blue Note gab. Für das Label nahm er seither immer ambitionierte Alben auf: 2011 “When The Heart Emerges Glistening”, 2014 “The Imagined Savior Is Far Easier To Paint” und 2017 das Doppel-Live-Album “A Rift in Decorum: Live At The Village Vanguard”. Einen Gastauftritt absolvierte Akinmusire u.a. auf Kendrick Lamars “To Pimp A Butterfly”. Beim JazzFest Berlin zollte er letztes Jahr in einer viel bejubelten Auftragskomposition der Bluessängerin Mattie Mae Thomas Tribut. Teil seiner Suite “Mae Mae” waren die wenigen überlieferten Stücke, die Thomas in den 1930er Jahren im Staatsgefängnis von Mississippi geschrieben hatte.
“Origami Harvest” ist das erste Album, das Akinmusire seit seiner erneuten Rückkehr nach Oakland aufgenommen hat. Es ist jeder Beziehung ein Protestalbum, auf dem die Stimmung ständig zwischen Grauen und Hoffnung oszilliert. Der Opener “a blooming bloodfruit in a hoodie” erinnert zwar an Trayvon Martins schrecklichen Tod, wartet aber zugleich mit den leuchtendsten Tönen und eingängigsten Grooves des Albums auf. In “Americana / the garden waits for you to match her wildness”, einem Song der etwas von den repetitiven Mustern eines Steve Reich hat, versuchte Akinmusire, wie er sagt, “Zeit und Raum zu beugen“. “Ich dachte darüber nach, dass wir in dem heutigen politischen Klima keinen Raum mehr haben um anzuhalten und Atem zu holen. Es ist, als ob jemand den Weg zum Frieden in uns verstellt. Der Track verändert sich gerade so viel, dass man es nicht ignorieren kann. Man muss die Musik entweder abschalten oder sich auf sie einlassen. Ich wollte kontrollieren, wie man die Zeit verstreichen spürt.”
In dem zappaesken “Free, White And 21” knüpft Akinmusire an eine Tradition an, die er 2011 auf “When The Heart Emerges Glistening” begonnen und 2014 auf “The Imagined Savior Is Far Easier To Paint” fortgesetzt hatte: über Musik werden die Namen von Afroamerikanern verlesen, die von der Polizei oder Möchtegern-Vigilanten getötet wurden. Wenn man genau hinlauscht, hört man ihn im Hintergrund zu einem schrägen patriotischen Marschrhythmus den Spiritual “Blood-Stained Banner” pfeifen. Das Thema greift er ganz bewusst wieder auf und gesteht sogar: “Ich will, dass es irgendwie nervig wird, dass die Leute sagen: ‘Oh, er macht das schon wieder?’ Denn Tatsache ist, dass ich immer noch so fühle. Wir haben immer noch mit derselben Scheiße zu tun, mit der ich mich schon auf meinem ersten Blue-Note-Album auseinandersetzte.”
Dem Song, dessen Titel bis zu den 1950er Jahren eine populäre Redewendung war, mit der man zum Ausdruck brachte, dass man ungebunden und Herr seines eigenen Schicksals ist, geht die coole Nummer “particle/spectra” voraus, ein stark klassisches Stück, in dem er als Gast den aus Oklahoma City stammenden Soul-Sänger LmbrJck_T präsentiert. Beendet wird das Album mit dem furiosen “the lingering velocity of the dead’s ambitions”.
Es ist kein Wunder, dass Akinmusire diese abenteuerlichen Songs, nachdem er sie ein zweites Mal auf dem Ecstatic Music Fest live aufgeführt hatte, unbedingt auch aufnehmen wollte. Er fragte seine musikalischen Partner, ob sie am nächsten Tag mit ihm ins Studio gehen könnten, und zu seiner Freude sagten alle sofort zu. Es hatte ihn ein Jahr gekostet, die Stücke zu schreiben, und die Themen waren einfach zu reif und brandaktuell. “Ich habe viel über das Männliche und das Weibliche nachgedacht. Über hohe und niedrige Kunst. Freie Improvisation und kontrollierte Kalkulation. Amerikanische Ghettos und amerikanischen Wohlstand”, sagt Akinmusire. “Ursprünglich wollte ich alles so dicht zusammenbringen, dass es die Tatsache unterstreichen würde, dass zwischen diesen vermeintlichen Extremen gar nicht so viel Platz ist, wie wir denken. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich die richtige Schlussfolgerung wäre.”
Trumpet: Ambrose Akinmusire
Synthesizer: Ambrose Akinmusire
Voices: Ambrose Akinmusire
Rap Vocals: Kool A.D.
Violin: Lauren Cauley Kalal
Drums: Marcus Gilmore
Cello: Mariel Roberts
Keyboards: Michael Aaberg
Violin: Olivia De Prato
Keyboards: Sam Harris
Piano: Sam Harris
Viola: Victor Lowrie Tafoya
Tenor Saxophone: Walter Smith
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