David Friedman Generations Trio - Thursday
David Friedman Generations Trio - Thursday
Malletmuse Records / EAN 4251546300000 / Vertrieb CD & Digital: https://www.malletmuserecords.com/
Veröffentlichung 12. April 2018
Musik ohne Klärungsbedarf - In den Songs ihres ersten gemeinsamen Albums breitet sich ein infektiöser Hauch von Gelassenheit, Lebensfreude und Weisheit aus
Jazz ist eine Kulturform, die bereits mehrere Jahrhunderte umspannt und sogar schon eine Milleniumwende überschritten hat. Doch immer noch zeigen wir uns überrascht, wenn Jazz auch ein Podium ist, auf dem sich Generationen treffen. Das Berliner Label Malletmuse Records ist nicht nur der entschlossene Versuch, der irrationalen Rationaliät des Music Biz eine Plattform entgegenzustellen, auf der es unter sich verändernden künstlerischen und merkantilen Bedingungen ausschließlich um die Bedürfnisse der beteiligten Musiker geht. Malletmuse Records ist vor allem der gemeinsame Fokus aus zwei ganz unterschiedlichen Sichtweisen auf ein und dieselbe Frage: Wie kann man heutzutage als Jazzmusiker seine Hörer erreichen?
Die beiden Malletmuse-Protagonisten sind Vibrafonist David Friedman und Drummer Tilo Weber. Der eine hat die Siebzig überschritten, der andere ist noch keine dreißig. Der Vibrafonist ist abgeklärt und hungrig und blickt auf einen immensen Schatz an Begegnungen und Erfahrungen zurück, der andere ist hungrig und abgeklärt, will vielen Menschen begegnen und Erfahrungen sammeln. Friedman hat den Jazz in den USA von der Pike auf gelernt und mit fast allen Großen der Jazzgeschichte gespielt. Weber hat in Deutschland bei Friedman studiert und ist auf dem Sprung, die Welt zu erobern. Die beiden Musiker haben einander auf magische Weise gesucht und gefunden. Dass sie einmal im Verhältnis Lehrer und Schüler zueinander standen, hebt sich in ihrem Austausch auf Label-Ebene genauso auf wie auf Band-Niveau. Denn in jeder Situation finden sie Augenhöhe.
Die unterschiedlichen Erfahrungshintergründe und Lebenspegel von Vibrafonist und Drummer stehen sich nicht im Weg, sondern befruchten sich gegenseitig. Der Kitt, der die Zwei zusammenhält, ist ihr uneingeschränktes Vertrauen, das sie auch über unvermeidliche Krisen und Richtungsunterschiede hinwegführen wird. Denn Beide betonen, dass sie nicht in allen Fragen einer Meinung sein müssen, es reicht zu wissen, dass der jeweils andere für das, was er tut, einen Grund hat. Ihre Musik wie ihr Label leben davon, dass sie nicht nach dem trügerischen kleinsten gemeinsamen Nenner suchen, sondern die Inspiration in der lebensnahen Unterschiedlichkeit ihrer jeweiligen Wirklichkeit suchen.
Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Jazz-Labels besteht zunächst einmal darin, dass sie nur ihre eigene Musik unter die Leute bringen. Der Grund bestand in einer Aufnahme des Generations Trios – komplettiert durch Bass-Wunderwaffe Oliver Potratz – die bereits seit längerer Zeit auf Eis lag und danach schrie, endlich gehört zu werden. Die nahe liegende Konsequenz war die Gründung eines eigenen Labels, doch das bekannte Gleichnis von Not und Tugend ist hier völlig fehl am Platz. Denn Weber und Friedman sind durch und durch Künstler, und somit Überzeugungstäter. Die musikalischen Projekte und die Labelarbeit sind zwei Facetten ein und derselben Herangehensweise, bei der es ein Kunstwerk so effektiv wie möglich umzusetzen gilt. Die Regeln, unter denen das geschieht, lassen sie sich nicht oktroyieren, sondern die bestimmen sie ausschließlich selbst.
„Ich bewundere an David Friedman, dass er niemals sagt, früher wäre alles besser gewesen“, begründet Tilo Weber seine Faszination für die Haltung seines einstigen Lehrers. So unterschiedlich Friedman und Weber einerseits sind, so viele Gemeinsamkeiten haben sie auch. In den Songs ihres ersten gemeinsamen Albums breitet sich ein infektiöser Hauch von Gelassenheit, Lebensfreude und Weisheit aus, drei Komponenten, die sich in dieser Kombination zu Authentizität verbinden. Beide wie auch Potratz sind auf phänomenale Weise allgegenwärtig, selbst wenn sie mal gar keine Hand an den Ton legen. Doch jeder von ihnen vereint in sich den aktiven Spieler mit dem ebenso aktiven Hörer. „Ich habe das Gefühl, Oliver und Tilo sind das Spiel betreffend völlig angstfrei“, verrät Friedman. „Das hat natürlich auch mit ihrer Generation zu tun. Für mich ist das beim gemeinsamen Musizieren mit den beiden Jungs eine große Freude. Viele Musiker aus meiner eigenen Generation sind oft sehr angstbehaftet und sind vorsichtig. Im Generations Trio ist es prinzipiell ganz egal, was ich schreibe, die beiden fressen es auf – ganz ohne Angst, Vorbehalte und Abwägungen.“
Bei Friedman, Potratz und Weber gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern nur das, was passiert. Deshalb kann man die CD auch hören, so oft man will – sie wird je nach Hörwinkel, Tageszeit und äußerer Stimmung immer wieder anders klingen. Es geht den drei Musikern um glaubwürdige Kommunikation, denn wenn sie sich gegenseitig nicht glauben könnten, wen wollten sie dann überzeugen? Am Ende ist es kaum von Belang, wer hier welches Instrument spielt. Sie erzählen sich gegenseitig diese wundervollen und vitalen Geschichten und laden das Publikum dazu ein, diesen Geschichten zuzuhören, indem sie die Hörer zu ihren Gesprächspartnern machen. Und was man nicht falsch erzählen kann, das kann auch niemand falsch verstehen. Das ist keine Musik, die allein Jazzkennern vorbehalten wäre, sondern Potratz, Weber und Friedman machen es jedem Hörer leicht, sich darauf einzulassen und es zu etwas Körpereigenem zu machen. Sie geben ihm das Gefühl, nur für ihn persönlich zu spielen. Oder um es mit Tilo Webers Worten zu sagen: „Das ist Musik ohne Klärungsbedarf.“