Die Glorreichen Sieben - Keep On Rockin In The Free World (a tribute to neil young)
DIE GLORREICHEN SIEBEN - KEEP ON ROCKIN` IN THE FREE WORLD (A TRIBUTE TO NEIL YOUNG)
Boomslang Records / Broken Silence / www.traps.at / oder als Download
Veröffentlichung: 15. November 2013
„Eigentlich ist das Free Jazz“, lacht Alfred Vogel, den es sehr interessiert, wie der Urheber des Materials wohl reagieren würde auf diese ad hoc-Exkurse. Sehr spannend! Sehr magisch!
Kalle Kalima, guitars
Flo Götte, Bass
Christian Lillinger, drums & percussion
Alfred Vogel, drums & percussion
Es ist aufgesattelt. Ein „Crazy Horse“ dieses Mal. Jetzt reiten sie wieder, die vier Glorreichen Sieben, die auf dem Album „Vogelperspektive, Vol. 2“ bereits wild galoppierend davon preschten – von Vorarlberg durch die urbanen Landschaften Berlins bis in die einsamen Weiten des Wilden Westens.
In den Satteltaschen hatten sie damals die Titelmelodien von „Bonanza“, „Winnetou“, „Once Upon a Time In The West“ oder „Für Eine Handvoll Dollars“ verstaut – Material, das sie ohne Lagerfeuerromantik aufbereiteten. Jeder Song war wie ein Schluck des schwarzen Gebräus, das Cowboys sich aus zerbeulten Kannen einflössen, nachdem sie ihren Rössern die verdiente Pause gönnen. Ein echter Koffein-Schock, ein Aufwecker, ein Muntermacher, herb, bitter, stark.
Mit seinem Western-Programm wurde das Quartett Die Glorreichen Sieben gar zum renommierten „BMW Welt Jazz Award 2013“ eingeladen.
Doch nun brechen die Musiker zu neuen Ufern auf, mit dem Werk Keep On Rockin` In The Free World. Band-Initiator und Schlagzeuger Alfred Vogel fragte sich, wo die Reise für die vier Reiter nun wohl hinführen könnte. Kalle Kalima, der in Berlin lebende finnische Gitarrist des improvisierenden Kollektivs, schlug vor, sich auf das Terrain des Neil Young vorzuwagen. Eine Idee, die Alfred Vogel und den anderen Mitstreitern der Band sofort einleuchtete.
Der kanadische Barde Neil Young, der in diesem November zum echten 68er wird, ist eine Kultfigur der Rockmusik, gilt als eine Art Taufpate des Grunge, hat mit Bands wie Crosby, Stills, Nash & Young, Crazy Horse oder Buffalo Springfield, aber auch mit vielen Solo-Alben ein Stück Musikgeschichte geschrieben. Er war immer dieser unangepasste Mensch, der das Lebensgefühl ganzer Generationen in Musik übersetzen konnte, in zeitlose, ungeschliffene und doch perfekte Songs, die sich mit der Gesellschaft auseinander setzten, mit den Problemen, den Ungerechtigkeiten der Welt. Dieser Neil Young trug und trägt seine Nummern, ja Hymnen mit einer nölig-nasalen Stimme vor, die alles andere als im klassischen Sinne schön ist – und einem doch durch Mark und Bein geht. Ebenso wie sein Gitarrenspiel, das man nur als urwüchsig, als durchdringend, als aufwühlend bezeichnen kann.
„Schon allein diese Gitarre vermittelt mir das Gefühl von Weite“, sagt Alfred Vogel. „Und die empfinde ich auch im Sound der Glorreichen Sieben. Weite entsteht schon allein dadurch, dass man ein Schlagzeug nach links (Alfred Vogel) und eines nach rechts (Christian Lillinger) setzt. Da lässt sich so ein Wahnsinns-Teppich kreieren, das schafft Tiefe, Weite und eine enorm breite Fläche. Da haben wir wieder die Prärie, diese Offenheit, diesen Blick nach außen.“
Zwischen den beiden Schlagzeugen von Alfred Vogel und Christian Lillinger bewegen sich Bassist Flo Götte, auch so ein Neil Young-Maniac und Gitarrist Kalle Kalima mit rauer, unverstellter Selbstverständlichkeit, deuten Themen und Melodien an oder spielen sie aus, „Cinnamon Girl“, „Heart Of Gold“, „Ready For The Country“, „After The Goldrush“, „Like A Hurricane“ – doch sie nutzen sie mit den beiden Drummern nur als Impuls für Improvisationen, die aufs Ganze und volles Risiko gehen. Ausgang offen. „Eigentlich ist das Free Jazz“, lacht Alfred Vogel, den es sehr interessiert, wie der Urheber des Materials wohl reagieren würde auf diese ad hoc-Exkurse.
Auf einer langen, sechsstündigen Autofahrt von Jena nach Bregenz haben Alfred Vogel und Flo Götte sich einen Neil Young-Marathon gegeben, als das neue Programm der Glorreichen Sieben als Idee gerade geboren worden war. „Ich hatte eigentlich immer nur Neil Youngs Album Harvest zu Hause. Aber plötzlich hörte ich seine Musik mit ganz anderen Ohren, mit einem ganz anderen Bewusstsein als zuvor. Trotzdem“, so Alfred Vogel, „war mir klar, dass wir auch dieses Mal beim Musizieren ganz unvoreingenommen an die Sache gehen wollten. Mir gefällt, was Young ausstrahlt, dass er diese Verbundenheit zu einer Zwischenwelt hat, der auch ich mich nahe fühle. Er schreibt Songs, die er einfach schreiben muss, Songs, die irgendwie schon da sind.“
Und so wie Young seine Lieder gewissermaßen aus der Luft fischt, spüren Alfred Vogel, Christian Lillinger, Flo Götte und Kalle Kalima ganz genau, was da an improvisatorischen Möglichkeiten in der Sphäre um sie herum schwirrt.
Das drückt sich auch im offenen Sound des neuen Albums aus, das wie der Vorgänger in Vogels Studio im heimischen vorarlbergischen Bezau eingespielt wurde. „Ich habe seit dem letzten Album dazu gelernt – man nimmt ja schließlich nicht jeden Tag Musik mit zwei Drummern auf.“ Gemischt wurde Keep On Rockin` In The Free World übrigens von Aaron Mason, der als gelernter Australier schon naturgemäß etwas von Weite versteht.
Auf das Cover (Gestaltung: Lucas Dietrich) dieses bemerkenswerten Albums sollte noch eingegangen werden. Das Foto: Ein alter Mann, dem das Leben die markanten Züge ins Gesicht gebrannt hat, steht in knittrigen Klamotten, einen Mantel über dem Arm, vor einem Gitterfenster. Links neben ihm, man muss da schon genau hinschauen, lehnt ein trauriges Schlagzeug-Kit an der Wand, so zusammen gefaltet, dass es fast so schmal ist wie der letzte Strohhalm, an dem man sich klammert. Alfred Vogel: „Dieses Bild hat auf eine abstrakte Weise auch mit dem Zustand unserer Welt zu tun. Aber vor allem erinnert es mich daran, dass egal was hinter dir liegt, einem nichts anderes übrig bleibt, als das weiter zu führen, was man liebt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“