Eva Klesse Quartett - Obenland
Eva Klesse Quartett - Obenland
Enja 063757964322 Vertrieb: Soulfood Veröffentlichung: 31. Oktober 2016
Ein geheimnisvoller Albumname: Obenland - Für Eva Klesse war es der Ort auf dem Dachboden, an den sie sich als Kind manchmal zurückzog und den sie Obenland nannte. Nun ist Obenland ein Synonym für den Sound dieses magischen Albums.
mp3 Interviewfiles 09 Eva Klesse > Obenland CD
Tourtermine:
20.07.2016 San Sebastian, 12 Points Festival
28.10.2016 München, Unterfahrt
02.11.2016 Werl, Forum der Völker
04.11.2016 F- Paris, Jazzycolors
05.11.2016 F- Lyon, Goethe-Institut
08.11.2016 Köln, Pfandhaus
10.11.2016 Frankfurt, Romanfabrik
11.11.2016 Iserlohn, Jazzclub
13.11.2016 Helmbrechts, Jazzwochenende 11h
13.11.2016 Seefeld, Schloss 18h
14.11.2016 Leipzig, Nato
17.11.2016 Berlin, A-trane
19.11.2016 Neuss, Kulturtreff 11h
19.11.2016 Rostock, Jazzclub 21h
25.11.2016 Magdeburg, Moritzhof
18.02.2017 Bremen, Sendesaal
18.03.2017 Düren, Komm
Als das Eva Klesse Quartett sein 2014 erschienenes Debütalbum Xenon einspielte, war alles noch sehr frisch. Erst ein halbes Jahr zuvor hatten sich Klesse, Ring, Frischkorn und Lucaciu in Leipzig gefunden, seitdem gerade mal eine Handvoll Konzerte zusammen gespielt. Gleichwohl zeigte die Band bereits damals eine bemerkenswerte Stilvielfalt und starken Gestaltungswillen. Essentielle Merkmale waren und sind: atmosphärische Eigenkompositionen statt Covern, ein Gespür für interessante Melodien, Freude am Improvisieren sowie nuancierte, rein akustische Arrangements. 2015 wurde die Band dafür mit dem Jazz-ECHO als Newcomer des Jahres ausgezeichnet. Seit der Veröffentlichung von Xenon spielte das Kleeblatt u.a. auf der Hauptbühne des Jazzfests Berlin, bei den Jazztagen Dortmund und Leipzig, in den Rolf-Liebermann-Studios des NDR und beim Bayerischen Jazzweekend; mit Unterstützung des Goethe-Instituts waren sie in Santiago de Chile (Festival ChilEuropa), Concepcion und Valparaiso zu Gast. Als nächstes großes internationales Engagement steht das 12 Points Festival in San Sebastian im Kalender.
Durch viele weitere Konzerte in Clubs und auf mittleren Bühnen ist die Band zu einer Einheit verschmolzen, die umso couragierter Risiken eingehen kann. Bandleaderin Klesse schätzt die schnelle Auffassungsgabe ihrer musikalischen Partner, noch mehr freut sie sich über über das intellektuelle wie intuitive Einverständnis innerhalb der Gruppe. All das hat die Produktion von Obenland maßgeblich geprägt. „Wir haben die Stücke gemeinsam in einem Raum aufgenommen, standen beim Spielen eng zusammen, weshalb nachher keine Korrekturen mehr möglich waren“, erzählt Klesse. „Am ersten Tag im Kölner Loft haben wir aufgebaut, eingerichtet, ein paar Stücke angespielt und abends ein öffentliches Konzert mitgeschnitten“, fährt sie fort, „der Rest wurde am folgenden Tag aufgezeichnet.“ Gleich drei Stücke des Konzerts landeten auf der CD; die positive Spannung der Live-Aufnahmen mit und ohne Publikum ist beim Hören des Albums spürbar.
Zudem ist der charakteristische Sound des Eva Klesse Quartetts nun durchgängig präsent. Alle Stücke wurden diesmal eigens für das Album komponiert und sind auf die vier Persönlichkeiten zugeschnitten. Für die Band brachte das eine größere Geschlossenheit und gleichzeitig neue Möglichkeiten zur Öffnung in unterschiedliche Richtungen. Entsprechend changiert die Ästhetik nun von detailscharfem Kammerjazz mit variablen Klangfarben bis zu energischen Spitzen. Die dynamische Spanne ist größer denn je, Transparenz und Verdichtung halten sich insgesamt die Waage, wobei letztere stets so gekonnt passiert, dass der Hörer auch in weiten Bögen die Orientierung behält. In ihrem dynamischen Zusammenspiel, selbst bei noch häufigeren freien Passagen, lassen Klesse & Co. ihren Emotionen exakt soviel Lauf, dass Soli Intensität statt egozentrischer Entrückung vermitteln. Eine dermaßen subtile Balance zeugt von Reife. Der Verzicht auf einen Produzenten ist konsequent und folgerichtig. „Wir haben genug eigene Ideen und auch Lust, eben das zu machen, von dem wir überzeugt sind“, sagt Eva Klesse selbstbewusst. Dem ist nicht zu widersprechen.
Erneut stammen rund die Hälfte der Kompositionen von Eva Klesse; Pianist Frischkorn steuerte zwei weitere bei, die beiden anderen Musiker jeweils eine. Dabei notieren Frischkorn und Ring vergleichsweise ausführlich, während Klesse und Lucaciu meist mehr Raum für gemeinsame Entwicklung lassen. „Letztlich entstanden alle Stücke des Albums dadurch, dass wir sie vorher in Konzerten gespielt haben. Jemand bringt eine Idee mit, die wir beim Soundcheck kurz ausprobieren; der Rest ergibt sich bei Improvisationen im weiteren Verlauf“, beschreibt Klesse den Prozess. Zum Konzept gehört, dass sich die Stücke immer wieder verändern und anders anhören dürfen. Dafür kann das Quartett auf allzu viele Proben getrost verzichten, frei nach Paul Bleys Bonmot „repetition is dangerous“. Zumal die Band in den vergangenen Jahren ohnehin eine Art Fernbeziehung führte. Evgeny Ring wohnt weiterhin in Köln, Eva Klesse ist mittlerweile zurück in Leipzig, nachdem sie mit Unterstützung eines DAAD-Stipendiums in New York ihren Master absolvierte. Zwei Jahre lebte sie dort, studierte u.a. bei Ari Hoenig und Drew Gress und spielte in den Ensembles von Chris Potter und John Scofield, um nur einige zu nennen.
Angesprochen auf den geheimnisvollen Albumnamen Obenland holt Eva Klesse etwas weiter aus und erzählt, wie sie sich als Kind manchmal auf den Dachboden zurückzog, den sie Obenland nannte. „Heute ist es der Phantasieort, in dem wir uns beim Spielen bewegen. Hier können wir frei sein und unsere Kreativität ausleben. Manchmal scheint es mir, wie wenn ein Mönch zur Meditation geht. Obenland ist ein 'mindset', ein Raum für Ruhe und Zeit, sich auf etwas einzulassen.“ Andere Titel Klesses zeigen ähnlich poetische Züge. Beim melancholisch angehauchten Eulogie mischte sie eigenwillig die Bedeutung des englischen Wortes Eulogy (Trauerrede, Eloge) mit ihrem Faible für Eulen. Hingegen wurde sie von der Melodie ihres Klabautermann an ein Seemannslied erinnert und diesen Gedanken hat sie dann weiter gesponnen. „Der Sage nach ist es kein gutes Zeichen, wenn man auf See den Klabautermann sieht – und auch in unserem Stück kann es vorkommen, dass das 'Schiff' dann mal untergeht“, lacht die Schlagzeugerin. Auch Philip Frischkorns Petite Chambre a? Montmartre entfleucht ein wenig der realen Welt. Es entstand während einer Bandreise nach Paris und vertont seinen Traum von einem Zimmer dort, das zum Komponieren inspiriert. Das mit 11 Minuten längste Stück des Albums stammt ebenfalls vom Pianisten, dessen Liebe zu europäischer Klassik immer wieder mal aufleuchtet. Eingerahmt von einem lockenden Leitmotiv vollzieht Descend and Resurface verschiedene Wendungen, die von sparsamen Moll-Akkorden und komplexer Flügel-Improvisation bis zu Rings expressivem Saxophon-Solo reichen. Über das gesamte Album hinweg mäandert Evgeny Rings klangliche Spannweite von beinahe fragilen, lyrisch-klaren Tönen bis zu nachdrücklichen, aber nie schrillen Aufschwüngen. Dazu passend grundiert Robert Lucaciu mal rhythmisch zupackend, mal mit pointierten, 'singenden' Noten oder gestrichenen Motiven.
„Xenon war in gewisser Weise von weiter weg 'fotografiert'“, schaut Eva Klesse zurück und stellt nun zufrieden fest, „Obenland fokussiert viel stärker, kommt näher an uns heran.“ Das ebenso lebendige wie konzentrierte neue Album bestätigt, was die London Jazz News schon vor einer Weile konstatierte: „A rising star on the German jazz scene.“
Evgeny Ring: Saxophon
Philip Frischkorn: Klavier
Robert Lucaciu: Kontrabass
Eva Klesse: Schlagzeug