Hans Lüdemann - Das Reale Klavier ... ein Kölner Konzert
Hans Lüdemann - Das Reale Klavier
ein Kölner Konzert
BMC Records / BMC CD 219 / EAN 5998309302190 / D: NRW Vertrieb / A: Videoland Veröffentlichung: 6. November 2015
Video for the Album "das reale Klavier - ein Kölner Konzert"
Neues, Historisches - und eine live – „hommage a Köln Concert“
LIVE am 29.11. Oper Köln im Staatenhaus, 20h
Muss man verrückt sein, wenn man als Jazz-Solo-Pianist eine „hommage a Köln concert“ spielt? Ist man größenwahnsinnig, wenn man gleichzeitig eine eigene Solo-CD herausbringt, die „das reale Klavier“ heisst und im Untertitel „ein Kölner Konzert“?
Das könnte naheliegen, wenn man bedenkt, dass es sich beim „Köln Concert“ um eines der bekanntesten, dabei aber durchaus umstrittenen Solokonzerte der Klaviergeschichte handelt und bei seinem Pianisten um einen der größten Meister seines Fachs. Wenn aber eine Vielzahl von Faktoren zusammenkommen, dann kann beides durchaus einen Sinn ergeben und seine Berechtigung haben. Bei Hans Lüdemann ist das der Fall. Er ist einer der bekanntesten deutschen Pianisten, seit über 30 Jahren in Köln ansässig und eine feste Größe der Szene. Es fing mit dem Studium an der Kölner Musikhochschule an, bei dem er die Aufnahmeprüfung mit einem Teil aus dem „Köln Concert“ bestand - und dabei eine „standing ovation“ von der Prüfungskommission erhielt. Ein paar Jahre später tourte er schon an der Seite von Jan Garbarek, der kurz zuvor noch mit Keith Jarrett zusammengearbeitet hatte. Danach ging Lüdemann seinen eigenen Weg als Pianist, Komponist und Bandleader und wurde selbst an der Kölner Musikhochschule zum Lehrer einiger der herausragenden jüngeren Jazzpianisten. Hans Lüdemann hat in diesen Jahren unzählige „Kölner Konzerte“ gespielt und eine Reihe davon auch auf CD veröffentlicht, darunter die mit dem ECHO Jazz prämierte „kunst des trios“. „Ein Kölner Konzert“ aber nun als Untertitel des Albums zu verwenden, ist tatsächlich eine Anspielung auf das historische Ereignis. Just in diesem Jahr 2015 das „Köln concert“ sein 40 jähriges Jubiläum. So ergab sich die Idee, aus dem besonderem Anlass am historischen Ort ein Solo-Konzert zu spielen, was einerseits dem Original seine Reverenz erweist, ihm andererseits eine andere Konzeption von Soloklavier-Improvisation gegenüberstellt.
Und damit wären wir beim „realen Klavier“, denn das auf der CD vorliegende neue „Kölner Konzert“, eine Aufnahme aus dem LOFT, folgt einer eigenen Ästhetik und ist die Frucht eines ausgereiften und persönlichen Improvisations-Stils, den Hans Lüdemann über Jahrzehnte entwickelt hat. 1994 hatte Lüdemann seine erste Solo-CD „the natural piano“ vorgelegt und ein Jahr zuvor bereits die Klavierduo-CD „Moving Hearts“ mit Paul Bley eingespielt. Seit seiner zweiten Solo-CD begann er, den akustischen Klavierklang zu erweitern mit elektronischen Klaviersamples. Auf dem vielbeachteten Album „Between the keys (das virtuelle Klavier)“ von 2009 setzte er neueste und besonders „natürlich“ klingende piano samples aus dem Computer ein und verschmolz diese mit dem akustischen Flügel zu einem neuen Sound. Die „Jazzthetik“ sah ihn damals schon in einer Ahnenreihe mit Bill Evans und Thelonious Monk. Mit dem „realen Klavier“ lässt Lüdemann nun die Phase der Experimente hinter sich. Die „virtuellen“ Klavierklänge sind zu einem selbstverständlichen Bestandteil einer erweiterten Klangvorstellung geworden und können genauso „frei“ improvisatorisch eingesetzt werden wie das akustische Instrument. Man muss manchmal genau hinhören, um zu erkennen, wo der akustische Klang des Flügels aufhört und der „virtuelle“ anfängt. Es ist ein Spiel mit den verschiedenen Ebenen von Realität, mit Spiegelungen und (Selbst-) Täuschungen, was Hans Lüdemann auf diese Weise treibt. Seine Grundhaltung ist universalistisch und sehr offen - gleich zu Beginn der CD, die einen großen Spannungsbogen über ein ganzes Konzert beschreibt, steht ein frei improvisiertes „Präludium“. Man könnte es auch als eine „Ouvertüre“ hören, denn es scheint in kondensierter Form all die Elemente vorzustellen, die später im Konzert weiterentwickelt werden. Da gibt es Groove-basierte Passagen - bei „Heartbeats“ eine Art Hiphop-Feel in der linken Hand, im Finale bei „Felsen“ mit rockigen, sehr erdigen und „fetten“ Basslinien. Es gibt komponierte Themen als Ausgangspunkt für Improvisationen wie bei den „blauen Kreisen“ wo „blue notes“ zu Vierteltönen und diese zu „honkytonk“ mutieren und man stellenweise meint, einen futuristisch anmutenden James P. Johnson zu hören. Ganz zart und sehr emotional werden mikrotonale Elemente zum Ausdrucksmittel beim sehr atmosphärischen „Ankunft“. Rein akustisch und liedhaft sind die inbrünstigen Geständnisse von „Love Confessions“, spielerisch die „Spring Rites“.
Hans Lüdemann zieht auf der CD alle Register von höchster Sensibilität über verblüffende Unabhängigkeit der Hände mit vertrackten polyrhythmischen Überlagerungen bis zu energetischer Rhythmik und enormer Virtuosität - das „virtuelle Klavier“ gibt der Musik zusätzliche Perspektiven und manchmal einen doppelten Boden. Mit großer Dynamik, starken Kontrasten und einem sehr kultivierten und wandelbaren Anschlag hat „das reale Klavier“ immer Atmosphäre und Spannung und hält diese sowohl im Detail als auch im großen Bogen des gesamten Konzerts. Als Zugabe auf der CD gibt es die fliessenden Linien von „Arabesque“, einer melodisch betörenden und fast schon „klassischen“ Komposition, die Lüdemann im Auftrag von Steinway & Sons erstellt hat. Durch diese insgesamt eigenständige und sehr zeitgenössische Konzeption von solo piano ergibt sich ein reizvoller Kontrast, wenn man ihr den legendären Vorgänger von 1975 im Konzert gegenüberstellt. Aber nur dadurch, dass sich das „reale Klavier“ grundlegend vom historischen „Köln concert“ unterscheidet, wird daraus eine spannendes Konzept. Schliesslich muss es in der Improvisation immer wieder darum gehen, aus dem Moment heraus neue Wege zu beschreiten. Dafür ist das „Köln concert“ bis heute ein leuchtendes Beispiel geblieben.
Die CD „das reale Klavier“ enthält diese Bezüge zum „Köln concert“ nicht, sondern steht für sich. Konzerte mit dem „realen Klavier“ sind in Europa und den USA in 2016 geplant. Und es gibt noch mehr historische Verbindungen: Hans Lüdemann lebt zur Zeit in Philadelphia/USA und hat eine Gastprofessur am renommierten Swarthmore College. Zur Vorbereitung seiner Konzerte steht ihm dort ein Flügel zur Verfügung, der einst von Bill Evans gespielt wurde.
Das Live - Solokonzert „hommage a Köln concert“ findet am 29.11. 2015 in der Oper im Staatenhaus statt.