Holly Cole - Night
Holly Cole – Night Veröffentlichung: 24. August 2012
(Tradition&Moderne / Indigo EAN 4047179540025)
Live
Mi., 14. November 2012 - HAMBURG / Fabrik
Sa., 17. November 2012 - WORPSWEDE / Music Hall
Do., 22. November 2012 - MAINZ / Frankfurter Hof
Sa., 24. November 2012 - NÜRNBERG / Tafelhalle
ca. vier weitere Konzerte im November in Vorbereitung
“The night is filled with secrets…” Holly Cole
„The night time is the right time“ … ein altes Blues-Motiv, einst besungen von Ray Charles und vielen anderen. Für die kanadische Sängerin Holly Cole ist es mehr als nur ein Songtitel, auch Lebensmotto aus Überzeugung. Denn die große Songinterpretin und erklärte „Nachteule“ aus Toronto liebt die Zeit der Dunkelheit, vor allem die Stunden nach Mitternacht. Ein Umstand, der sich auch im prägnanten Titel ihres mit Spannung erwarteten neuen Albums NIGHT wiederfindet. Ein Album als innige Liebeserklärung an die Nacht und ihre Magie. An die geheimnisvollen Stunden, in denen sich das Geplapper des Alltags verflüchtigt, die Kreativität erwacht, und man die Welt mit anderen Augen sehen bzw. mit anderen Ohren hören kann. Die Stunden der Freiheit.
Es ist nicht das erste Mal, das Holly Cole ein neues Werk unter eine thematische Überschrift stellt. „Romantically Helpless“ war ein Album über die romantische Liebe, bei „Shade“ ging es um sommerliche Hitze-Zustände, „Baby, It’s Cold Outside“ erzählte von Winter- und Weihnachtsgefühlen. Seitdem Frank Sinatra in den fünfziger Jahren thematische Konzepte für seine Platten entwickelte, wird im Jazz und Pop die Umarmung einer Songkollektion durch ein übergeordnetes Thema geschätzt – auch von Holly Cole. Sie entdeckte im kreativen Prozess zu NIGHT ein weiteres Mal, wie das ausgewählte Repertoire ein übergeordnetes Thema vorgeben kann – und nicht umgekehrt. Die Songs gab es schon vor dem Konzept, doch erst bei der Arbeit merkte man, wohin die Reise thematisch ging.
Seit dem die aus Halifax/Nova Scotia stammende und heute in Toronto lebende Chanteuse mit den Tom Waits-Interpretationen ihres Albums „Temptation“ (1995) auch außerhalb ihrer Heimat bekannt wurde - vor allem in Japan und Deutschland - gilt sie als eine der führenden interpretativen Sängerinnen der Gegenwart im Spannungsfeld von Jazz und Pop. Sie stellt dabei Hank Williams neben Cole Porter und Tom Waits neben Irving Berlin – vieles findet Platz. Die Kunst von Holly Cole ist es dabei, Interpretationen mit vielen Qualitäten zu liefern: Originalität, Emotion, Raffinesse, Würde, Erotik, Humor…
Selbst altbekannte Songs erstrahlen bei ihr in frischer Bedeutungsfülle und werden wie neu geboren in die Welt entsandt – unterwegs zum Herzen des Publikums. Sinnlich, intensiv, gänzlich ohne (Retro-)Kalkül. Ein Kontinuum in der langen Karriere der Sängerin, die 1986 nach Toronto kam und 1990 ihr erstes Album „Girl Talk“ veröffentlichte. Viele weitere folgten, regelmäßige Tourneen auch in Deutschland festigten ihren Ruf als bedeutende Song-Stilistin.
Die Kunst von Holly Cole kommt aus der Stille. Dort sieht sie selbst den Ursprungsort kreativer Spannungszustände, inspiriert nicht selten von der Aura nächtlicher Stunden, geschützt vor dem bedrohlichen Informationsüberfluss der digitalen Welt. Die Nacht als Ort der Entdeckung und der Konzentration, die Dunkelheit als Einladung zu friedvoller Einkehr, mit einer Lizenz, das zu tun, was man tun möchte. Eine Grundhaltung, die nicht zuletzt auf frühen Kindheitserlebnissen der Sängerin basiert, als Vater Cole seine von Krupphusten geplagte Tochter oft auf nächtliche Gänge entführte. Es ist die früheste Kindheitserinnerung von Holly Cole – auf den Schultern ihres Vaters die Nacht zu erkunden, mit der Wahrnehmung eines Kindes, behütet und heilsam. Der Wunsch, die Welt immer wieder mit den „Augen der Nacht“ zu erleben, ist geblieben - und entwickelt sich hier neu in der Musik.
Diese Art entdeckerischer Ambition in Songs zu vermitteln, ist eine Kunst, die Holly Cole auf NIGHT intensiv demonstriert. Abermals unterstützt von Musikern und Freunden, die sie als Seelenverwandte und Vertraute schätzt, als Spieler und Zuhörer. Es ist die Wiedervereinigung des allerersten Holly Cole Trios mit Aaron Davis (Piano) und David Piltch (Bass). Letzterer heute vor allem im Umfeld des Produzenten Joe Henry tätig und ersterer – gemeinsam mit Co-Produzent Greg Cohen – hier auch als Arrangeur vertreten. Dazu kommen unter anderem Davide DiRenzo (Drums) und Johnny Johnson (Blasintrumente) sowie Gastauftritte u.a. von Greg Leisz (Lap Steel), Kevin Breit (Gitarre) und Cyro Baptista (Percussion). Insgesamt 18 Songs nahm man auf. 11 davon (zzgl. 2 Bonustracks) befinden sich auf der deutschen Veröffentlichung des Albums.
Wie auch schon in der Vergangenheit treffen dabei Songs aus ganz unterschiedlichen Genres der Musikwelt aufeinander – von John Barry („You Only Live Twice“ - das James Bond-Thema) und Mort Shuman („Viva Las Vegas“) bis zu Tom Waits („Walk Away“, „Whistling Past The Graveyard“), Jacques Brel („If You Go Away) und Gordon Lightfoot („If You Could Read My Mind“). Besonders letztere Auswahl ist eine Überraschung – kaum jemals zuvor hat Holly Cole einen Song der kanadischen Folklegende Lightfoot interpretiert. Ihre kanadische Identität schlägt sich außerdem in der Interpretationen eines Songs des kanadischen Spätsechziger-Duos „The Poppy Family“ nieder („I Thought Of You Again“). Dazu kommt ein Klassiker des amerikanischen Songwriter/Folk-Repertoires von Danny O’Keefe („Good Time Charlie’s Got The Blues“), ein Captain Beefheart-Song („Love Lies“), der Balladenklassiker „I Only Have Eyes For You“ und – last but not least – das Cole-Original „You’ve Got A Secret“.
Auch die Geheimnisse dieser neuen Songkollektion von Holly Cole sind zahlreich. Sie als Hörer zu entdecken – am Besten im wohligen Schutz der Dunkelheit – ein lohnendes Unterfangen. Der Prozess der musikalischen Dekonstruktion und Neudefinition bleibt ein wesentlicher Aspekt im Schaffen von Holly Cole und er wirkt bisweilen Wunder. „Subtext is my best friend“ – „Das Unterschwellige ist mein bester Freund“ bemerkt die Künstlerin dazu mit typischer Ironie und deutet gleichzeitig an, dass die kreative Reise noch längst nicht zu Ende ist, auch wenn die Pause zum Vorgänger-Album „Holly Cole“ (2007) lang war. Doch dafür gibt es gute Gründe, zu finden auch im persönlichen Umfeld der Sängerin. Dort gab es viel Kummer, Gefahr und Verlust. Gleichaltrige Freunde starben, Beziehungen lösten sich auf, und es gab – als besonders einschneidenden Moment – das leibhaftige Erleben des 8,8-Erdbebens in Japan 2011. Fünf Minuten, die eine Ewigkeit voller Todesangst dauerten. Weder Band noch Begleitung in Sichtweite, auf einer anderen Etage eines Hotels in Tokio. „Es war ein das Leben verändernder Moment“, sagt sie nachdenklich im Rückblick. Eine Situation, die Holly Cole zum Glück unverletzt überlebt und auch kreativ verarbeitet hat – mit neuem Focus auf die Musik. Ein Grund von vielen, die NIGHT zu einem der besten und intensivsten Alben in der an Höhepunkten nicht armen Discographie von Holly Cole machen. Willkommen zurück.