Lochs Balthaus Herskedal - Choices
Lochs Balthaus Herskedal - Choices (plus spezial guest Michael Moore)
Berthold Records/EAN 4250647300025/Ja Kla!/ Codex Veröffentlichung: 18. Mai 2012
Lyrische Jazz-Blumen aus Amsterdam – überraschend, ironisch und von schlichter Schönheit
Im Jazz war der europäische Gedanke schon manifestiert, lange bevor er politisch umgesetzt wurde. Grenzüberschreitend zusammengestellte Jazzformationen gibt es mindestens seit den frühen 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts, und nicht selten waren auch Gäste aus Übersee (bevorzugt den USA) mit von der Partie, so dass auch globales Denken im Jazz früh eine Rolle spielte.
So ist es auch bei dem Trio Lochs Balthaus Herskedal. Der Trompeter und Flügelhornist Bert Lochs ist Niederländer, der Pianist Dirk Balthaus Deutscher und Tuba-Spieler Daniel Herskedal kommt aus Norwegen. Für ihr neues, zweites Album „Choices“ hat das Trio für drei Stücke auch noch einen US-amerikanischen Gast ins Studio gebeten, nämlich den Klarinettisten und Saxophonisten Michael Moore. Der ist allerdings längst „europäisiert“, denn Moore lebt seit 25 Jahren in Amsterdam.
Die niederländische Metropole, ohnehin seit Jahrzehnten eine Anlaufstelle für Musiker aus vielen Ländern, ist denn auch das Zentrum von Lochs Balthaus Herskedal, selbst wenn Daniel Herskedal weiterhin in Oslo wohnt, während Dirk Balthaus sich nach Beendigung seines Studium am Konservatorium in Hilversum in Amsterdam niederließ.
Die Besetzung von Lochs Balthaus Herskedal mit Trompete, Piano und Tuba ist einigermaßen ungewöhnlich, nicht nur wird aufs Schlagzeug verzichtet, auch ist die Zusammenstellung eben dieser drei Instrumente außergewöhnlich. Man könnte an Mikhail Alperins Moscow Art Trio denken, aber während das Jazz mit osteuropäischer Folklore kombiniert, weist der musikalische Ansatz von Lochs Balthaus Herskedal deutlich nach Mitteleuropa, wozu sich noch eine skandinavische Note voller sanglicher Melodien fügt. Das Trio liebt das Spiel mit geheimnisvollen Motiven, was sich gleich beim Opener „Zany“ zeigt. Da zirpt und blubbert und wispert es zunächst, bevor Bert Lochs ein zugleich strahlendes und sanftes Thema auf dem Flügelhorn anstimmt, das allmählich von vertrackten rhythmischen Passagen kommentiert wird. Bert Lochs hat überhaupt die meisten Stücke komponiert, fünf der neun Tracks gehen auf sein Konto, Dirk Balthaus und Daniel Herskedal haben je zwei beigesteuert. Vom Tubisten wurde denn auch das zweite Stück „De sluwe heks“ geschrieben, das ungleich zu seinem niederländischen Titel, der soviel wie „Die listige Hexe“ bedeutet, einen eminent nordischen Gestus besitzt, und fast den melodischen Charakter eines Kirchenlieds hat. Hier greift auch Michael Moore, und zwar mit Klarinette und Altsaxophon, ins Geschehen ein, und seine lyrischen Vorstellungen passen perfekt zu denen von Lochs Balthaus Herskedal. Durchgängig liebt das Trio das Spiel mit eigenwilligen rhythmischen Komponenten, die mal nach Südafrika weisen, mal lose Latin-Anleihen verwenden, und wie selbstverständlich fügen sich in das Spiel Growl-Klänge der Tuba, Staccati des Pianos (Dirk Balthaus spielt auch ein Fender Rhodes Piano) und singende Trompeten-Kantilenen ein: „Choices“ ist eine CD, die voller Überraschungen steckt, lyrischer, ironischer und solchen von schlichter Schönheit, wie beim abschließenden „Julesangen“, das man nicht nur zur Weihnachtszeit gut hören kann.
Dirk Balthaus spielt schon seit Mitte der neunziger Jahre immer wieder in unterschiedlichen Konstellationen mit Bert Lochs zusammen. Er hat zahlreiche CDs mit seinem Trio veröffentlicht, ist aber auch auf diversen anderen Alben als Sideman zu hören. Bert Lochs, der Unterricht bei Ack van Rooyen, dem legendären niederländischen Trompeter und vor allen Dingen Flügelhornisten (bekannt auch durch das United Jazz & Rock Ensemble), sowie bei dem ebenfalls niederländischen Pianisten Rob Madna nahm, betreibt sein eigenes Trio, spielt aber auch in diversen anderen Formationen. Daniel Herskedal hat an den Konservatorien in Trondheim und Kopenhagen studiert, arbeitet mit dem renommierten Trondheim Jazz Orchestra zusammen, hat aber auch mit seinem eigenen Quintett ein Album veröffentlicht.
Anspieltipps: Track 1: Zany / Track 2: De sluwe heks / Track 4: B-Tango /Track 8: La Condition humaine