Max Frankl- Home
Max Frankl – Home Veröffentlichung: 19. Oktober 2012
(Material Records/ EAN 900532101236/ Harmonia Mundi D & CH / Lotus A)
Live
06.02.2013 A-Trane, Berlin, D
07.02.2013 Artgallery Reutlingen, D
08.02.2013 Unterfahrt München, D
09.02.2013 Porgy&Bess Wien, AU
10.02.2013 Cabaret Voltaire, Zürich, CH
„Heimat bedeutet für mich einen Ort, an dem ich 'ich' sein kann, an dem ich mich wohlfühle. Heimat heisst außerdem, Wurzeln gefunden zu haben und von dort aus weiter ziehen zu können. Bezogen auf meine CD bedeutet das auch, mich mit der Musik meiner Mitspieler vollkommen gut zu fühlen. Ich habe mich beim Komponieren auf das konzentriert, was mir wirklich am Herzen lag, und wir haben in der Gruppe eine ideale Form der Umsetzung gefunden. Es ist für mich eine große Freude zu hören, wie meine fantastischen Kollegen meine Musik spielen.“
So lange ist Max Frankl noch gar nicht dabei. Ein paar Alben hat der 30jährige Gitarrist aus dem bayerischen Weilheim aufgenommen, mit dem Trio 'Francis Drake' zum Beispiel, im Rahmen der Reihe 'Next Generation' oder auch mit seiner ersten prägenden Band 'Frankzone'. Er hat in Amsterdam und Basel studiert, sein eigenes Können bei Lehrern wie Wolfgang Muthspiel oder Kurt Rosenwinkel perfektioniert und auf Tournee mit dem European Jazz Orchestra die Arbeit im großen Ensemble schätzen gelernt. 2012 wurde er mit dem ECHO Jazz als „Bester Gitarrist National“ ausgezeichnet. Er hat auf diese Weise bereits eine Klangvorstellung in sich und ein Renommee in der Szene reifen lassen, das ihm ein Album ermöglicht, das mit Starbesetzung den eigenen Standort definiert.
„Home“ versammelt Könner ihres Fachs zu einem Sextett, die sich ihrerseits bereits mit markanten Projekten profiliert haben. Nils Wogram zum Beispiel gehört zu den umtriebigsten und vielseitigsten Posaunisten Europas. Dominic Landolfs Ruf als fein nuancierender Saxofonist und Klarinettist eilt ihm längst jenseits Grenzen seiner Schweizer Heimat voraus. Der Pianist Pablo Held überzeugte schon im Line-Up der WDR Big Band ebenso wie als Chef seines eigenen Trios. Matthias Pichlers Kontrabass ist auch an der Seite von Meister Muthspiel zu erleben und Silvio Morger ist fester Bestandteil der Rheinischen Jazzwelt.
Dieses Team macht es Max Frankl möglich, sich gestalterisch weit vor zu wagen. Denn seine Musik ist komplex genug, um eine Band herauszufordern, und klingt dennoch so leicht und selbstverständlich, als würde sie en passant erdacht und in spontaner Kommunikation umgesetzt werden. Das ist Resultat einer sich gegenseitig inspirierenden Zusammenarbeit, auch von Freundschaften, die über die Studiozeit hinaus bestehen. Es ist aber ebenso Folge einer kompositorischen Kompetenz, die den Gitarristen als souveränen, humorvollen, eigenwilligen Klangraum-Dompteur präsentiert.
Max Frankls Musik
„Ehrlichkeit ist für mich das Geheimnis einer guten Komposition, wenn der Komponist immer nach dem sucht, was ihn rundherum begeistert. Es kann manchmal sehr lange dauern, bis man für eine kleine musikalische Zelle eine Erweiterung gefunden hat, die dann schließlich zu einem vollständigen Stück führt. Trotzdem ist es ganz wichtig, dass man sich nicht mit weniger als diesem tollen oder euphorischen Gefühl zufrieden gibt. Musikalisch wichtig ist mir beim Komponieren, dass Musik eine Geschichte erzählt, von den Soli bis hin zu den Stimmungen, die ein Stück vermittelt“.
Max Frankl nennt sein Album „Home“. Es ist ein Bekenntnis zu dem, was ihm künstlerisch wichtig ist. Frankl gibt Musik vor, die persönlich genug ist, um seine Sprache als Komponist, Arrangeur und Solist zu formulieren, und zugleich genügend Freiräume schafft, um die Mitstreiter zu eigenen Stellungnahmen zu animieren. Alle Beteiligten sind überzeugte Melodiker, Geschichtenerzähler, deren Modernität sich nicht in der Abstraktion verliert, und das ergänzt sich gut mit den farblichen und dramaturgischen Vorstellungen des Bandleaders. Scharfe Kontraste liegen ihm fern, grelle Effekte ebenso. Seine Kompositionen entwickelen sich, Dynamik ergibt sich aus dem Fluss, wobei die Tendenz zum Zarten auch in den lauten Momenten erhalten bleibt. Es ist improvisierende Musik mit Hochachtung vor dem Zusammenklang, ohne dabei mehr als für die Form nötig auf bewährte Muster zurückgreifen zu müssen.
„Nighthawks“ zum Beispiel, das erste Stück des Albums, das behutsam an die Stimmung des gesamten Gefüges heranführt, ist zum einen inspiriert von dem berühmten gleichnamigen Gemälde von Edward Hopper, den melancholisch an der Bar sitzenden Nachtschwärmern in einem nach Nähe suchenden Amerika. Es formuliert aber auf der anderen Seite einen sich sukzessiv entwickelnden Dialog zwischen Bassklarinette und Gitarre, eingebettet in ein aufmerksam kommentierendes Klangbett. „Mr Goodchord“ ist eine Verbeugung vor dem Meister der vertrackten Harmonie Mick Goodrick, dem vielleicht einflussreichsten Gitarristen im Hintergrund der improvisierenden Moderne, und fächert ein Spektrum der Gestaltung auf, das von humorvoll reduzierter Motivik bis hin zu umfassend rankenden Linien des Bassisten reicht.
Schillernd schweben die Akkorde von „Mantra“ in den Klangraum, verdichten sich mit den gebundenen Linien der Posaune zu einer frei fließenden Soundscape-Hommage an den amerikanischen Schlagzeuger Brian Blade, die in eine dynamische verspielte Ballade mündet. „Der Bär kommt heim“ wiederum ist eine Anspielung auf den gleichnamigen Jazz-Roman von Rafi Zabor, aber auch der gefühlvolle Abschluss einer Widmungs-Trilogie an Max Frankls Kater, die er bereits mit Frankzone begonnen hatte und in der nun Wograms Posaune Landolfs Tenorsaxofon ihre musikalische Eloquenz entwickeln dürfen.
„'Home' ist mein bisher aufwendigstes Album. Ich habe mir viel Zeit genommen, um schon im Kompositionsprozess gezielt danach zu suchen, wo es nach meinen Kompositionen für 'Sturmvogel' und 'Stories' musikalisch hingehen könnte und was der Max in mir hören möchte. Ich habe mich über mehrere Jahre mit sehr verschiedenen Einflüssen auseinandergesetzt und mich natürlich von meinen Partnern inspirieren lassen. Und ich habe mich selbst verändert, durch viele tolle Erfahrungen wie mit dem European Jazz Orchestra oder die Konzerte in unterschiedlichen Bands seit meinen letzten CDs. Ich habe an meinem Sound, an der Freiheit auf meinem Instrument gearbeitet, wollte neue Voicings finden und meine Improvisationsfähigkeiten schärfen, so dass ich die Art von Offenheit erreiche, die ich im Spiel vieler fantastischer Musiker so schätze.“
„Home“ ist also eine Positionsbestimmung. Max Frankl verortet seine musikalische Heimat im moderaten Zentrum der zeitgenössischen improvisierenden Moderne. Er empfiehlt sich als Feintöner, der seine Ideen des harmonierenden Ineinanderwirkens von Linien stringent auf das Ensemble überträgt. Seine hervorragende Band quittiert diese über offensichtliche Virtuosität hinausreichende Gestaltungskraft mit empathischem Zusammenspiel. So kann die Musik wachsen, bis daraus etwas wird, womit sich alle Beteiligten wohlfühlen. Ein Zuhause.