Nils Wogram Nostalgia - Nature
Nils Wogram Nostalgia - Nature
(Nwog records 012 / EAN 7640138449505 / Vertrieb: EDEL) Veröffentlichung: 10. April 2015
tour 2015
10.03. Gent/B, HANDELSBEURS
11.03. Münster/D, Blackbox
12.03. Nürtingen/D, Kreuzkirche
14.03. Villingen/D, Jazzclub
15.03. Utrecht/NL , 16h , Muziek Centrum Tivoli Vredenburg
17.03. Luzern/CH , Kleintheater Luzern
18.03. Lasne/B . Le Rideau Rouge
19.03. Osnabrück/D , Cinema Arthouse
20.03. Syke/D , Konzertsaal der Kreissparkasse
21.03. Heppenheim/D , Kleinkunstbühne Halber Mond
22.03. Middelburg/NL , 15h30 , Café t Schuttershof
23.03. Köln/D , Loft
26.03. Bern/CH , Bejazz Vidmarhallen
27.03. Hertogenbosch/NL , De Toonzaal
28.03. Erfurt/D , Jazzclub
29.03. Leipzig/D , Telegraph
Sie spielen, worauf sie Lust haben, lassen sich auf eine Suche ein, ohne auf die ultimative Weisheit stoßen zu müssen. Tiefer Groove.
Der Berg ruft. Die Musik von „Nature“ ist von einer intensiven Naturerfahrung geprägt, die man in dieser Intimität und Unmittelbarkeit eher vom norwegischen Jazz kennt. „In der Natur zu sein, ist für mich eine wichtige Inspiratiosquelle“, bekennt Nils Wogram. „Dort kommt man auf andere Gedanken, findet Ruhe und kann völlig unanalytisch die Welt betrachten. Da das ein wichtiger Teil meiner Gefühlswelt ist, habe ich mich entschlossen, Stücke für ein Album zu schreiben, das ausschließlich auf Naturschauspielen beruht, und dieses mit meiner Band Nostalgia aufzunehmen.“
Hammondschwaden senken sich wie schwere Nebel ins Tal, das Schlagzeug setzt Tupfer gleich taubesetzten Gebirgsblüten, die Posaune macht auf ihrem Weg nach oben die Gravitation spürbar oder breitet ihre Flügel aus, um über die schwarzen Wipfel der Sonne entgegen zu streben. Die Grooves und Sounds synchronisieren sich mit organischen Abläufen wie dem Schritt, dem Atem oder dem Blick, der langsam über den Horizont schweift und unzählige Details einsammelt. In den letzten Jahren hat Nils Wogram viele abstrakte Dinge geschrieben und aufgenommen. Mit Nostalgia kehrt er jetzt zu einem sehr physischem Klangempfinden zurück. Er zieht die Kraft direkt aus dem Boden und gibt sie über sein Instrument und den gesamten Bandsound wieder an die Atmosphäre ab.
„Was ich komponiere“, so Wogram, „wird ebenso von meinen aktuellen Ideen bestimmt wie von dem Gefühl, wohin es die jeweilige Band mit ihren Besonderheiten und Stärken zieht. Das letzte Programm mit Nostalgia war zwar recht rockig, aber es gab viele arrangierte Teile, die teilweise auch recht anspruchsvoll waren. Ich wollte wieder etwas mehr in Richtung akustische Musik gehen, bei der ich ganz gezielt eine gewisse Reduktion einbringen kann.“
Das Leben verläuft ja oft in Kreisen. Nicht selten kommt man auf unwegsamen Pfaden an Punkte, an denen man früher schon einmal war, und findet dabei völlig neue Perspektiven. Diese Erfahrung machte auch Wogram, als er Organist Arno Krijger und Drummer Dejan Terzic mit den Songs von „Nature“ konfrontierte. Die Überraschung seiner beiden Kompagnons über die Schlichtheit der neuen Stücke war recht groß. Nicht, dass der Posaunist Überzeugungsarbeit hätte leisten müssen, aber die drei Musiker mussten gemeinsam die adäquate Haltung finden, um die Stücke einfach so stehen zu lassen, wie sie gedacht waren. Dieser Prozess gipfelte in einer Entdeckungsreise, die sie nicht nur auf die Alpenspitzen führte. Gerade das kollektive Überraschungsmoment ist die große Stärke der CD. Es klingt nicht selten, als würden sich die Musiker beim Spielen gegenseitig fragen: Können wir das bringen? Dass es funktioniert, liegt ebenso an der persönlichen Reife und Integrität der drei Protagonisten wie an der bestechenden Eloquenz ihres gemeinsamen Erzählfadens.
Wogram, Krijger und Terzic wissen exakt, was sie wollen und in diesem Kontext können, aber sie finden auch punktgenau die richtigen Momente, in denen sie all das vergessen und einfach loslassen können. Sie spielen, worauf sie Lust haben, lassen sich auf eine Suche ein, ohne auf die ultimative Weisheit stoßen zu müssen. „Dabei dringt man dann auch in Bereiche vor, in denen man noch nicht war, aber die man sich durchaus zueigen machen will. Dinge, bei denen man sich sagt, da ist etwas drin, was mir entspricht.“
Das Konzept von Nostalgia stellt den Jazz seit jeher in unmittelbare Tuchfühlung mit der Tradition der deutschen Romantik. Man denke nur an das Dämmerungscover der ersten Nostalgia-CD „Affinity“. Mehr denn je ist auf „Nature“ ein grundehrliches, unverstelltes Pathos zu hören. „Im Jazz geht es ja oft darum, wer besser spielen kann und die hipperen Ideen hat“, findet Wogram. „Ich wollte einfach mal ein Album ohne all das machen, weil ich darauf gerade Lust hatte. Das heißt ja nicht, dass man sich später nicht wieder komplexeren Ideen widmen kann. Aber jetzt musste genau das heraus.“ Wogram gelingt es, auf dem kürzest möglichen Weg ein authentisches Lebensgefühl zu vermitteln, ohne einen musikalischen Beipackzettel oder eine markierte Wanderkarte mitliefern zu müssen. Er geht einfach los und nimmt den Hörer mit. Nostalgia trägt eine kolossale Lebenswucht zum Hörer.
Anstelle des langjährigen Nostalgia-Organisten Florian Ross drückt jetzt Arno Krijger die Tasten. Anders als die meisten anderen Jazzorganisten, die den Bass mit der linken Hand verwalten, spielt er den Bass mit den Füßen. Bei den meisten Orgeltrios übernimmt der Gitarrist die Akkordfunktion, wenn der Organist solo spielt. Mangels eines Gitarristen geht das bei Nostalgia nicht. Da Krijger den Bass aber per pedes spielt, übernimmt er mit der linken Hand die Akkorde und mit der rechten Melodien und Improvisationen. Auf dieser Grundlage kann Wogram die Stücke anders bauen. An Krijger schätzt er aber noch eine andere Eigenschaft. „Arno ist kein Orgel spielender Pianist wie Florian Ross, sondern spielt ausschließlich Orgel. Sein Selbstverständnis verleiht der Orgel klangliche Nuancen, die es vorher bei uns nicht gab. Das ist für mich ein inhaltlicher Gewinn. Als Florian sich von der Band verabschiedete, war ich sehr traurig, aber das Leben geht weiter. Dass ich dann Arno fand, war eine tolle Fügung. Er hat eine Affinität zu denselben musikalischen Grundsätzen, die mir gerade wichtig sind. Als Bandleader habe ich das gnadenlos ausgeschlachtet.“
An Schlagzeuger Dejan Terzic schätzt Wogram nicht nur das intuitive Gespür für Beat, Groove und Feuer, sondern vor allem auch sein Feingefühl für Dynamik und Form. „Wenn ich rhythmische Sachen mit ihm zusammen spiele, muss ich mich auf nichts konzentrieren, sondern kann einfach drauf los spielen. Ich habe ja gerade deshalb ein Orgeltrio gegründet, weil Orgel und Schlagzeug zusammen so einen tiefen Groove entwickeln.“
Wograms Antennen sind ständig auf Empfang. Auf der letzten Tour hielt er Aug und Ohr auf die CDs und iPods seiner Mitstreiter. Als Bandleader sieht er seine Verantwortung darin, diese Impulse zu abstrahieren und mit seinen eigenen Ideen zu verknüpfen. Auf Wograms Suche nach Natürlichkeit ist „Nature“ ein Glücksfall. Um im Bild zu bleiben: Wer ins Gebirge fährt, sieht nicht zum ersten Mal Berge. Aber gerade weil die Gebirgssilhouette so vertraut wirkt, möchte man sofort rauf auf den Berg. Erst auf dem Weg zum Gipfel wird man sich der Besonderheiten des einzelnen Berges bewusst. Auf eben dieser Vertrautheit in der Einzigartigkeit basiert auch die unprätentiöse Verführungskraft dieser CD.