Patty Moon - Head For Home
Patty Moon - Head For Home
Traumton Records / EAN 705304465107 / Vertrieb: INDIGO
Veröffentlichung: 06. Oktober 2017
KONZERTE + PATTY MOON + 2018/2019
03.11.2018 Kaiserlautern, Friedenskapelle
Patty Moon: Flügel und Stimme
Silke Täubert: Cello
18.11.2018 Freiburg, Babeuf
Patty Moon: Piano und Stimme
24.11.2018 Endingen, Winzerhof Linder
RIP – Songs von Bowie, Cohen, Winehouse, O'Riordan und mehr
Patty Moon: Piano und Stimme
30.11.2018 Schopfheim, Café am Hebel
RIP – Songs von Bowie, Cohen, Winehouse, O'Riordan und mehr
Patty Moon: Piano und Stimme
16.12.2018 Endingen, Kleine Kneipe
Adventskonzert
Patty Moon und Cover Songs
Patty Moon: Piano und Stimme
08.01.2019 Freiburg, Waldsee
Jazz ohne Stress
Patty Moon: Flügel und Stimme
24.01.2019 Bollschweil, Bolando
Patty Moon: Flügel und Stimme
Silke Täubert: Cello
25.01.2019 Karlsruhe, Tempel
Patty Moon: Flügel und Stimme
Silke Täubert: Cello
16.02.2019 Bamberg, Alte Seilerei
Patty Moon: Piano und Stimme
Silke Täubert: Cello
16.03.2019 Riegel, Kumedi
Patty Moon: Flügel und Stimme
Silke Täubert: Cello
Vielleicht sind Patty Moons Melodien heute noch etwas traumverlorener, erscheinen zusammen mit manchen Harmoniewechseln bisweilen wie eine Schwarzwälder Antwort auf isländische Pop-Melancholiker. Es klingt heute noch sparsamer und persönlicher, näher an der Sängerin und am Hörer zu sein scheint als zuvor.
Ginge es nach den bisherigen Reaktionen von Presse und Publikum, hätte das neue Album von Patty Moon schon längst erscheinen sollen. Immerhin wurde bereits die zweite CD Lost In Your Head 2008 allseits hochgelobt. Der Stern bezeichnete die Produktion als „magisch“, der Kritiker der Jazzthetik beschrieb sie als „echtes Gesamtkunstwerk“ und das HiFi-Magazin Audio zeigte sich vom „filigranen Folk-Pop“ begeistert. Das Tango-angehauchte Stück Straight Alone fand den Weg in Wolfgang Murnbergers Film Mein bester Feind mit Moritz Bleibtreu. Zwei Jahre später schrieb Patty Moon gleich drei Stücke für Hans W. Geissendörfers Kino-Produktion In der Welt habt ihr Angst mit Anna Maria Mühe und Axel Prahl. Patty Moons drittes Album Mimi And Me wurde 2011 erneut gefeiert, zumal es teilweise mit Melodien überraschte, die unaufdringlich-elegant ins Ohr gingen. „Ein Wunderwerk, in dem man Elfen tanzen hört“ jubelte die Hörzu und Melodie & Rhythmus befand: „rätselhafte, herrliche Musik, die einer Kate Bush oder Tori Amos […] an Originalität in nichts nachsteht“.
Head For Home knüpft nun daran an und zeigt gleichzeitig neue Facetten. Die nachdenkliche Haltung ist noch da, ebenso wunderbar atmosphärische Arrangements mit kammermusikalischen Streichern und die für Patty Moon typische, bildgewaltige Poesie. Vielleicht sind ihre Melodien heute noch etwas traumverlorener, erscheinen zusammen mit manchen Harmoniewechseln bisweilen wie eine Schwarzwälder Antwort auf isländische Pop-Melancholiker. Schnell fällt auf, dass die Musik heute noch sparsamer und persönlicher klingt, näher an der Sängerin und am Hörer zu sein scheint als zuvor. Ähnlich einem Club-Konzert, bei dem die Künstlerin keine drei Armlängen entfernt sitzt und ganz direkt, ohne elektronische Effekte, beim Publikum ankommt.
Das bringt uns auf die Veränderungen bei Patty Moon. Aus dem ehemaligen Duo- ist ein Solo-Projekt geworden. Was zur Folge hat, dass neben den Kompositionen und Songtexten nun auch Arrangements und Produktion weitgehend von Patty Moon verantwortet werden. Als sei diese Herausforderung noch nicht genug, kümmert sie sich alleinerziehend um ihre fünfjährige Tochter. Das alles braucht Zeit, soll die Qualität keinen Schaden nehmen. „Ich habe oft nachts an den Stücken gearbeitet oder zu Kindergartenzeiten“, erzählt Patty Moon, „im Idealfall kamen so zwei bis drei konzentrierte Stunden zusammen.“ Ohne ihren langjährigen musikalischen Partner fließen nun einige Aspekte fokussierter in die Songs. Ein Faible für verschattete Töne hatte Patty Moon schon immer, wobei Melancholie nicht mit Trauer oder gar klagender Melodramatik verwechselt werden darf. Davor schützen Patty Moons Klaviermotive, die auch von Yann Tiersen sein könnten, und natürlich ihre glockenklare Stimme, der tremolierendes Pathos fremd ist. „Die Songs klingen jetzt genau so, wie ich sie in meinem Kopf gehört habe. Und die jeweiligen Stimmungen sind präsenter, klarer, weniger durch Produktionsdetails verkleidet als früher.“
Auch wenn Patty Moon vieles in die eigenen Hände genommen hat, beispielsweise auch die verschiedenen Stimmen der zart-romantischen Streicher am Rechner vorbereitete, wollte sie Head For Home nicht völlig im Alleingang aufnehmen. Neue Kollaborateure fand sie in der näheren Umgebung. Geigen, Bratsche, Cello und Kontrabass kommen von der Freiburger Hochschule, sie nehmen neben Partty Moons Flügel eine zentrale Rolle ein. Punktuell leuchten weitere Instrumente auf. Zwei Hörner, Bass und Schlagzeug liefern relativ vertraute Sounds, singende Gläser oder Beatboxing sind da schon unkonventioneller. Absichtlich hat Patty Moon gewisse Unschärfen zugelassen. „Der Flügel ist schon sehr alt, deshalb machen das Pedal und eine Taste ein paar Geräusche“, lacht Patty Moon. „Das ist natürlich nicht perfekt, aber ich finde, es gibt dem Ganzen eine liebevolle Note.“ Auch ihr klackernd-klimperndes Spielzeugklavier würde man kaum auf anderen Platten hören. Außergewöhnlich ist die Idee, das mechanische Ticken eines medizinischen MRT als Symbol für die ständige Unruhe im eigenen Kopf einzusetzen. Oder das Geräusch eines kreiselnden Topfs als Antwort auf die Frage: welche Töne macht die Welt, wenn sie sich dreht? Um alle individualistischen Sounds zu entdecken, muss man recht genau hinhören, denn vieles passiert im Hintergrund. Ziemlich offensiv ist dagegen der von Shane Brady für Human kreierte Chor. „Ursprünglich hatte ich gedacht, an dieser Stelle ein Jodel-Ensemble einzubauen, das ein arabisches Klagelied singt“, grinst Patty Moon. Stattdessen fand sie den Iren Brady, dessen Phrasierungen nun für einen flüchtigen Moment an mystischen Quawwali-Gesang erinnern.
Patty Moon ist ein Naturmensch. „Die vielen Eindrücke in Großstädten überfordern mich“, stellt sie fest, weil es in ihrem Hirn ohnehin ständig arbeite. Auf dem Land findet sie Ruhe, erfreut sich an Feldern und Seen rund um ihren Wohnort am Kaiserstuhl. Aufgewachsen ist sie buchstäblich im Wald, rund drei Kilometer vom nächsten Dorf entfernt. Das Gefühl des Alleinseins ist ihr vertraut, schon früh hat sie es durch erfundene Geschichten kompensiert. Viele ihrer aktuellen Songs sind nicht als gradlinige Erzählungen angelegt. Lyrische und ausdrucksvolle Metaphern lassen in andere Welten eintauchen, Filme im Kopf entstehen. Manche Texte betrachtet sie „als eine Form von Wahrheit, eine kleine Offenlegung“, etwa wenn es um Ängste, Schmerzen und Kämpfe mit den eigenen Dämonen geht. Es gibt aber auch viele Lichtblicke und von Erlebnissen genährte Hoffnung. Dass ihre Hörer vielleicht nicht alle Details der Texte erfassen, empfindet Patty Moon als Chance. „Ich verstehe auch nicht sämtliche Bilder von Kate Bush oder Peter Gabriel“, sagt sie, „aber die großen Zusammenhänge kommen erfahrungsgemäß immer an. Und sie können neue, eigene Vorstellungen hervorrufen.“
Der Albumtitel, Head For Home, hat für Patty Moon eine doppelte Bedeutung: den Weg nach Hause ansteuern und im Kopf daheim sein. „Songs sind für mich die einzig wahre Art, mich auszudrücken. Für manche Zeiten und Seelenzustände sind sie mir sogar ein Zuhause. Und wo entstehen Musik und Text, die sich ergänzen und verschmelzen? Natürlich im Kopf.“ Dass sie ihre Gedankenwelten in englische Wörter transferiert, hat mit der eigenen Geschichte und Hörgewohnheiten zu tun. „Ich bin mit englischsprachiger Musik aufgewachsen, die Sprache lässt mich auch in den Kompositionen kreativer sein.“
Schon 2011 lobte ein Kritiker der FAZ die Zeitlosigkeit von Patty Moons Stücken, „die sich nicht an die Fersen eines Trends heften.“ Und er fuhr fort, „nicht zuletzt dank der englischen Texte erscheint das Trio im besten Sinne europäisch.“ Beides gilt weiterhin, auch für die aktuelle Patty Moon. Ein weiterer Aspekt ist bei Head For Home offenkundiger denn je: gute Songs berühren ihr Publikum immer, ob in sparsamen oder opulenten Arrangements. Das neue Album von Patty Moon beweist exemplarisch, wie sich ausgesuchte musikalische Mittel und bildhafte Poesie zu enormer Intensität verdichten lassen.
Patty Moon: vocals, piano, toy piano
Carles Civera: violin Yu-Chin Huang: violin Susanne Sophie Müller: viola Sofia Ogaz Gonzáles: violoncello Ignazio Fernández-Rial Poztela: double bass
Sina Glöckle: horn Oliver Albert: horn
Ingo Rau: bass Grischa Brand: drums