Sivan Talmor - Fire
Sivan Talmor – Fire
Chaos Rec CACD8455 / EAN 4012116845532 / / Vertrieb: EDEL:Kultur
Veröffentlichung 12. August 2016
Songs, die sich traumwandlerisch zwischen Pop und Folk bewegen, es sind einfache Stücke, ohne Komplikationen, fließend, pur - die Art von Musik, die einen mit offenen Augen träumen lässt.
Sivan Talmor ist 29 Jahre alt und hat das Gesicht eines Engels, perfekt passend zu ihrer sanften, klassischen Stimme.
Niemand muss ja an Hypnose glauben. Wer allerdings mit Sivan Talmor spricht, wird hinterher mit leisen Zweifeln leben müssen. Die junge Frau fasziniert ungemein, sie wickelt einen verbal um den Finger, bis man irgendwann fast ganz vergisst, ihr überhaupt noch Fragen zu stellen. Und das gelingt ihr, sehr erstaunlich, notfalls auch am Telefon. Es beschleicht einen die leise Ahnung, sie müsse schon ungeheuer viel Ungewöhnliches erlebt haben in ihrem noch gar nicht so langen Leben. Und hört man dann noch ihre Lieder, ist die Ahnung zur Gewissheit geworden.
Sie ist auch tatsächlich Wahrheit. Mit zehn Jahren, Sivan lebte im Nordosten Israels in einem Ort ohne eine einzige Bühne, eröffnete sie ihrer Mutter, sich fest zur Karriere als Sängerin entschlossen zu haben. Und schon ihre Mutter muss damals eine mutige Frau gewesen sein: Sie schickte das Töchterchen zum Casting ins knapp vier Zugstunden entfernte Tel Aviv. Und Sivan wurde angenommen. Mit 14 tourte sie durchs ganze, kleine Land, mit 18 trat sie in die Armee ein und sang auch dort in der Band. „Eine tolle Erfahrung“, sagt sie, „weil wir eigentlich jeden Tag ein Konzert gaben, unser Rekord waren einmal sogar acht Konzerte an nur einem Tag, das war schon ziemlich verrückt. Manchmal spielten wir vor 800 Leuten, manchmal auch vor drei, vier Wachleuten, die gerade nichts Anderes zu tun hatten und seit drei Wochen niemandem mehr begegnet waren. Danach wusste ich ganz sicher, dass ich fortan als Sängerin ein bisschen Glück und Freude in die Herzen der Menschen bringen wollte.“
2011, längst aus der Armee entlassen, stand sie kurz davor, ihr erstes Album mit eigener Band aufzunehmen, als man ihr die Teilnahme an ’The Voice Of Israel’ anbot. „Ich habe lange gezögert“, sagt Sivan und lacht, „weil ich an solche Shows nicht glaubte, irgendwie empfand ich mich dort fehl am Platze“. Schließlich habe sie aber doch zugesagt, „man hatte mich glauben gemacht, dass dies eine tolle Erfahrung sein könnte. Ich nahm es als ein Spiel, ich war kein ganz junges Mädchen mehr und wollte wenigstens keine Chance verpassen. Und ich war mir auch sicher, dass niemand dort mich nach all meinen Erfahrungen noch würde verbiegen können.“
Es folgten die Aufnahmen fürs erste Album in New York, „aber als ich zurück nach Israel kam und die Songs hörte, war das plötzlich gar nicht mehr ich, die da sang.“ Das Album aber erschien, und danach habe eine der schlechtesten Phasen ihres Lebens begonnen, „so weit unten hatte ich mich noch nie gefühlt. Da entschloss ich mich zu einer Therapie und versuchte dann, meine eigene Seele zu durchtauchen.“ Viele Songs habe sie geschrieben in dieser Zeit, damals alle noch auf Hebräisch. „Und während der Vorproduktion spielte ich ein ganz und gar fürchterliches Konzert, danach glaubte ich, aufgeben zu müssen. Als mein Produzent mir sagte, er habe nur während meiner bisher einzigen zwei Songs auf Englisch das Gefühl gehabt, wirklich mich zu hören, schrieb ich meine Texte um. Und habe mich sofort neu in meine Lieder verliebt.“
Das fällt, während „Fire“ gerade unser Lieblings-Soundtrack wird, auch nicht eben schwer. Nur selten erinnern die sparsamen, zuweilen fast filigranen Arrangements noch an Sivans frühe Liebe zum Musical, manchmal aber dann an eine zweite ihrer Jugendlieben, als daheim die Platten von Crosby, Stills & Nash oder Peter, Paul & Mary rauf und runter liefen. Ob sie nun erwarte, in Europa als ’just another pop singer’ oder als exotischer Act gesehen zu werden? „Ich finde, dass beides nicht so richtig trifft“, sagt Sivan. Sie halte sich weniger für exzentrisch „als vielmehr für eine Frau, die kleine, intime Geschichten zu erzählen hat, die von Herzen kommen. Vielleicht finden sich manche meiner Zuhörer ja ein bisschen darin wieder“. Und die ihr nachgesagte, kaum beschreibbare Wirkung auf der Bühne, kann sie die in Worte fassen? „Nirgends sonst fühle ich mich so eins mit meiner Musik. Das verleiht mir eine Kraft, die größer ist als ich selbst und die sogar für mich manchmal Unvorhersehbares erschafft.“ Vielleicht sei es ja das.
Jetzt muss sich Sivan Talmor nur noch darauf gefasst machen, wie jeder Künstler aus Israel in Europa als Botschafter seines Landes empfunden zu werden. Sie lacht laut auf, „das hört sich jetzt etwas hippiesk an, obwohl ich gar nicht sage, dass ich Love & Peace in die Welt tragen will. Aber ich versuche, Intimität zu erzeugen, und wenn meine Zuhörer mir dann näher stehen, als sie sich das vorgestellt haben, könnten sie zumindest auf den Gedanken kommen, dass dieses hier eine Welt ist, mit einer Menschheit. Ganz egal, welche Farbe deine Haut hat und an welchen Gott du glaubst.“ Hört sich im Jahre 2016 tatsächlich etwas hippiesk an. Aber irgendwie auch so wunderschön wie die Lieder der Sivan Talmor.