Tarun Balani - Dharma

Tarun Balani – Dharma

Berthold Records / 4250647319010 / Vertrieb: Cargo

Veröffentlichung: 26. April 2019

 

Taruns unauffällige, aber dennoch lebhafte Trommeln und einfallsreichen Kompositionen sind bemerkenswert. - AllAboutJazz, USA

 

Manchmal können traurige Erlebnisse überaus inspirierend sein. Das beweist „Dharma“ – das Album des indischen Komponisten und Schlagzeugers Tarun Balani. Ausgerechnet am Tag seiner Hochzeit verstarb seine Großmutter. Ein Ereignis, das in der Kultur der Hindus Unheil verheißt. „Ich bin zwar seit meiner Geburt Hindu, aber überhaupt nicht religiös. Trotzdem sorgen interreligiöse Ehen, wie zwischen mir und meiner Frau - die Christin ist – in Indien immer noch für großes Aufsehen. Mich gleichzeitig mit Themen wie „Leben“ und „Tod“ auseinanderzusetzen, erfreuliche wie traurige Ereignisse zu erleben, das hat mich damals sehr beschäftigt. Das alles führte letztlich zum Titel des Albums. Dharma hat verschiedene Bedeutungen. Man kann es als Suche nach Normalität verstehen, aber auch als Verständnis für die Natur und den Lauf des Lebens, zu dem eben auch Unbeständigkeit gehört“, blickt der in Neu Delhi lebende Balani auf für ihn zentrale Ereignisse im Jahr 2016 zurück.

 

Zusammen mit Sharik Hasan (Klavier), Tiziano Bianchi (Trompete), Alex Pinto (Gitarre) und Joshua Crumbly (Bass) präsentiert Balani ein überaus einfallsreiches Album, auf dem er Elemente aus der indischen Musiktradition mit Jazzklängen der westlichen Welt verbindet. „Meine ersten Erfahrungen und Erlebnisse mit Musik hatte ich zuhause“, erinnert sich Balani. „Mein Vater hat klassische indische Musik studiert und hörte Pandit Ravi Shankar und Hari Prasad Chaurasia. Meine Mutter ist dagegen mit westlichen Bands wie den Beatles, Simon & Garfunkel und ABBA aufgewachsen. Von ihnen hat sie Platten aufgelegt, wenn sie Arbeiten im Haushalt erledigt hat.“

 

Als kleiner Junge entdeckte Balani in seiner Schule in Neu Delhi ein Drumkit aus Fiberglas. „Das war Liebe auf den ersten Blick. Mir schoss es sofort durch den Kopf: dieses Instrument musst du spielen! Die Kraft des Beats war faszinierend und Schlagzeug zu spielen für mich geradezu befreiend. Von da an gab es kein Zurück mehr für mich. Zuerst habe ich mich ausschließlich mit Popmusik beschäftigt, Jazz hat mich lange überhaupt nicht interessiert. Das kam erst deutlich später. Auch meine Verbindung zur indischen Musik ist erst entstanden, als ich zur Musikschule ging.“

 

Brooklyn Bound, der Opener des Albums, bezieht sich auf Balanis erste Reise nach New York. „Meine Bandkollegen lebten alle in Brooklyn und ich habe sie von Uptown aus besucht. Die Akkordfolge entstand auf einer der vielen Zugfahrten. Die Komposition fängt sehr schön das Gefühl ein, dass ich mit New York verbinde – mitten drin im Trubel zu sein. Am Ende des Stückes wechselt die zuvor sehr lebendige und kraftvolle Atmosphäre ins Meditative – dank eines Motivs, das sich ständig wiederholt und langsam abebbt. Diese Passage ich habe ich Impermanence genannt.“

 

Das Titelstück Dharma beschreibt sein Komponist als von der Atmosphäre her „intensiv“. „Es pendelt zwischen zwei rhythmischen Motiven und Akkordfolgen hin und her, ehe es in einer epischen Trompetenmelodie mündet, die dem Stück einen befreienden Charakter verleiht.“

Samsara ist ein Stück, das mit Melancholie durchtränkt ist. Der Titel steht für den Zyklus des Leidens im Buddhismus. „In dieser Komposition trauere ich um meine verstorbene Großmutter. Es geht aber auch um die Gegenüberstellung von Leben, Tod und Spiritualität. Während Dharma lediglich die Anerkennung von Vergänglichkeit ist, steht Samsara für den gesamten Verlauf dieses Zyklus.“

Here We Go ist ein Liebeslied, das Balani seiner Frau gewidmet hat. „Normalerweise bezeichnet sie meine Musik als anspruchsvoll und emotional. Diese Komposition jedoch hat schon fast den leichten Charakter einer Popballade, die allerdings im Kontext eines Jazztrios gespielt wird. Es bedeutet: wir sind vereint und wir machen einfach so weiter.“

Malala`s Dream ist ein älteres Stück, das von Malala Yousafzai inspiriert wurde, die während einer Fahrt im Schulbus von Taliban erschossen wurde. Ihr Schicksal hat Balani damals sehr geschockt. „Ich habe das Stück aus ihrer Perspektive geschrieben und mich gefragt: wenn ich ein musikalisches Thema entwerfen müsste, das sie beschreibt – wie müsste es klingen?“

„Planet Hunter“ stammt aus der Feder von Sharik Hasan, dem Pianisten der Band. „Ich liebe diese Komposition“, gesteht Balani, „denn sie handelt von Liebe und Leben in der Zukunft, der Suche nach Raum für menschliche Zivilisation und von Zeitreisen.“

 

Balani bedauert, dass Jazz und improvisierte Musik im Allgemeinen nicht mit Indien in Verbindung gebracht werden. „Hoffentlich kann dieses Album kann ein wenig dazu betragen, das zu ändern“, unterstreicht er. „Ich möchte die Menschen in Europa dazu ermutigen, ihre Augen und Ohren mehr für Musik aus dieser Region der Welt zu öffnen“, so der Schlagzeuger und Komponist.

 

Er selbst verließ Indien im Jahr 2005 in Richtung New York, weil er frustriert war, in seinem Heimatland keine geeigneten Musiklehrer und -Schulen zu finden. „Ich war gerade 18, als ich mich am Drummer´s Collective in New York einschrieb. Das war zugleich der Start meiner Liebesbeziehung zum Jazz. In Indien war diese Musik damals kaum verbreitet, woran sich im Prinzip bis heute wenig geändert hat. Es gibt nach wie vor nur wenige Clubs und Festivals, aber immerhin beginnt sich die Szene langsam zu entwickeln. Denn die Menschen in Indien sind sehr offen für improvisierte Musik und sie verstehen auch, wie sie funktioniert.“

 

Nachdem Balani von New York nach Indien zurückgekehrt war, gründete er das Global Music Institute in Neu Delhi und leistete damit einen aktiven Beitrag zur sich dort entwickelnden Jazzszene. „Das fing ganz klein in einem Keller an, wuchs aber kontinuierlich. Vor sieben Jahren spielte sich das künstlerische Leben auf drei Stockwerken ab, inzwischen umfasst das Institut ganze Wohnanlagen und einen modern ausgestatten Campus.“

 

Seine Konzerte haben Balani mittlerweile über den gesamten Erdball geführt. Er hat unter anderem auf dem Calcutta Jazz Festival, dem Castel Nuevo Festival in Italien und der Jazz Gallery in New York gespielt. Überall war das Publikum fasziniert von dem einzigartigen, unwiderstehlichen Sound seines Quintetts.

 

www.tarunbalani.com