Tria Lingvo - At It's Purest
Tria Lingvo - At It's Purest Veröffentlichung: 2. November 2012
Jazzsick Records 5058 JS / inakustik
TRIA LINGVO (Johannes Lemke/ André Nendza/ Christoph Hillmann) – 10 Jahre Erfolgsgeschichte auf Jazz- und anderen Bühnen. Viele Mitschnitte und Produktionen, enthusiastische Presse. Zusammen verweisen die 3 Musiker auf 2 JAZZECHOS, über 100 teilweise gemeinsam aufgenommene CDs und entwickeln sich zu „unverzichtbaren Grundpfeilern der deutschen Jazzszene“ (Harald Rehmann, Deutschlandfunk).
AT ITS PUREST – ein kraftvolles Resümee dieser Geschichte.
Die Idee zur vierten CD bekommt mit einem Angebot zur Aufnahme im Konzertsaal des Deutschlandfunks feste Nahrung. Die Band greift gerne zu und will die fast 10jährige Entwicklung des Trios als Trio festhalten. So live und pur – „At Its Purest“ - wie möglich. Schreibt sich dafür ein neues Programm auf den Leib. Denn: Man mag „Lemke Nendza Hillmann“ mit Gästen, man mag es aber auch als vitales Kleinstensemble. Reduzieren dafür auch das Instrumentarium. Travel light and easy. Nendza verzichtet auf seine Bass-Schlitztrommel, Lemke spielt nur noch Sopran. Nur Hillmann darf weitermachen wie bisher. Und bringt in Gestalt der Garrahand wiederum ein neues Instrument mit einer dazugehörigen Komposition mit. Bei einer Reihe von Konzerten wird das neue Material festgezurrt und lockergespielt. Begeisterung über die Bandbreite der neuen Stücke. Weite Flächen treffen auf konkrete Grooves. Sangliches auf Abstraktes. Im Kern: Jazz, weniger als Stil denn als Haltung. Dann: Vier Tage im Deutschlandfunk. Entspannte Menschen arbeiten mit dem und für das Projekt. Und die drei Musiker spielen, ohne Kopfhörer, direkt in die wunderbare Akustik. Lernen dabei, denn Ausbessern ist nicht möglich, mit den kleinen Fehlern zu leben. Beginnen sogar, diese zu mögen. Stehen in einem ganz großen Raum ganz eng zusammen und machen: ihre Musik. Und nennen sich „Tria Lingvo
Am Anfang: ein fast harmonisches und doch harmonieinstrumentloses Trio mit einer Idee von einer Musik zwischen den Stühlen. Jazz und Ethno. Eine dritte Sprache, eine „Tria Lingvo“. Keine Bandleader-Band, sondern ein Kollektiv, das zu funktionieren scheint. Alle schreiben, alle kümmern sich. Erste Konzerte, die erste CD „El Arte“, dann noch mehr Konzerte. Das alles unter dem Logo „Lemke Nendza Hillmann“. Ein sehr langer Name. Die Veranstalter nehmen das Projekt wahr und nennen es „Johannes Lemke Trio“. Oder auch „Hillmann Nendza Lemke“. Manchmal auch „El Arte“. Das Publikum kommt trotzdem. Die drei Musiker treffen ihre Zuhörer gerne. Im Konzertsaal, im Club und gerne auch in Kirchen. Erzählen Geschichten. Musikalisch und in, je nach Stimmung, auch ausufernden Ansagen. Ernsthafte Musik mit Spaß von der Rampe gebracht. Und: Die Suche nach musikalisch Gleichgesinnten beginnt. Als Erster: der filigrane Ramesh Shotham. Eine weitere CD, „Kyrillis“ mit dem wunderbaren Geiger Dominique Pifarély als Gast. Auch mit ihm der Drang auf die Bühne. Sie spielen überall, wo man sie lässt. Immer noch als „Lemke Nendza Hillmann“. Man nennt es zwischendrin auch mal „André Nendza Trio“. Oder auch „Kyrillis“. Rundfunkmitschnitte und viele Kilometer durch das ganze Land. Zerbrechen einen Geigenbogen in Madgeburg. Spielen vor 10 Leuten in Rostock und vor 500 in Schwäbisch Gmünd. Teilen einen feinen Rhabarberkuchen mit dem Hank Roberts Trio. Dann auch gerne weitere musikalische Abenteuer mit dem ungarischen Violinisten Zoltan Lantos und dem englischen Posaunisten Marc Bassey. Tolle Musiker. Mit ihnen die dritte CD „Tria Lingvo“. Die Zuhörer mögen die Musik immer mehr. Und auch die Presse. Die schreibt gar davon, dass „es kaum ein anderes deutsches Jazzalbum, das ähnlich spannend und abwechslungsreich ist, wie dieses“ gibt („Jazzpodium“). Das Trio freut sich und: macht weiter. Spielt auf der „jazzahead“ bei der German Night. Eröffnet das Festival „Vive Le Jazz“. Bleibt stur bei dem Namen „Lemke Nendza Hillmann“ und wird trotzdem gerne mal „Ensemble Christoph Hillmann“ genannt. Oder, immer öfter, „Tria Lingvo“. Das allerdings beginnt dem Kollektiv zu gefallen.
Johannes Lemke: Sopran-Saxophon
André Nendza: Kontrabass
Christoph Hillmann: Schlagzeug, präpariertes Schlagzeug, Udu, Garrahand, Kalimba
1 Humming 5:21
2 Fool‘s Hands Hope 6:18
3 (The Structure of) Culinary Vegetables 2:43
4 Trahison 5:58
5 Passing 6:36
6 Cyan Cycle 5:57
7 Good Reason 5:35
8 Voyage 6:58
9 Steve is Stuck on the M-Train 4:05
10 Malev 2:24
5/8/10 – komponiert von Johannes Lemke
1/3/4/6 – komponiert von André Nendza
2/7/9 – komponiert von Christoph Hillmann
Produziert von Deutschlandfunk und Tria Lingvo
Executive Producer: Philipp van Endert
Zu den Stücken:
(Die Kursiv geschriebenen Sätze sind die deutschen Übersetzungen aus dem CD-Booklet)
Humming
Dankbar für jede sangliche Melodie, die einfach so zwischen den Klaviertasten und einem – zwar brüchigen, aber beseelten – Singen entsteht.
Der Opener der CD fasst ganz gut die verschiedenen Einflüsse des Projektes zusammen. Vitaler Spielwitz, eine nicht immer klar zu verortende Folklorefarbe und eine gewisse Freude an ohrwurmartigen Melodien.
Fools Hands Hope
Der ehemalige Jazzpianist entdeckt an einem verhängnisvollen Abend sein Spiel wieder. Er erlebt seine suchenden Hände auf den Tasten, spürt den Jubel der Musik und setzt alles aufs Spiel.
Stücke ohne Drumset sind typisch für das Repertoire von TRIA LINGVO. Die Garrahand ist ein tonales, melodisches Percussioninstrument. Um seine Melodien ranken sich virtuose Jazzpräludien und hymnische Soli. Momente wie diese ziehen das Publikum in einen neuen und anderen Bann.
(The Structure of) Culinary Vegetables.
Ein Faible für erweiterte Bluesformen, bei denen Männer Wassermelonen tragen. Dann die Erkenntnis, dass diese keine Frucht ist.
Ursprünglich von der Struktur von Stücken wie „Watermelon Man“ inspiriert, entwickelte sich diese Komposition zu einer vertrackten, asymmetrischen Form, bei der der Bass im Thema jegliche Eins verweigert und dadurch funkig synkopische Spannungsfelder aufbaut. Die Melodie wiederum sorgt im hektischen Treiben für entspannende Schwerpunkte.
Trahison
Kann man seine Kunst verraten? Kernfrage aus Christian Gailly's Roman "Un soir au club"
Das zweite Werk aus dem Gailly-Zyklus. Es bezieht sich einerseits auf Nendzas wiederentdeckte Liebe zum swingenden Jazz, verwendet aber gleichzeitig abstrakteres melodisches Material wie den dritten Modus von Messiaen, der sich scheinbar immer mehr zum Steckenpferd der deutschen Jazzszene entwickelt. Insgesamt ein gekonnt zwischen Freiheit und Kernigkeit pendelndes Werk, das deutlich auf die Wurzeln der drei Musiker abhebt.
Passing
Im Lauf der Zeit.
Mit 46 Jahren mag ein (Zwischen)-Rückblick erlaubt sein. Begegnung und Abschied, Bewegung und Ruhe; jedem Menschen vertraute Ereignisse. Dass dies bisweilen einer Karawane gleicht, spiegeln der orientalische Klang der Melodie und das ungerade Metrum des Pulses wider.
Um dem Ganzen mehr Würze zu verleihen, soliert das Saxophon über eine "angetäuschte" Bluesform.
Cyan Cycle
Im Rückblick. Aus 10 berühmten Takten 30 gewonnen. Und eine Coda, die man gerne als Gruß an den wundervollen Bassisten Gunnar Plümer verstehen darf.
Diese Komposition von André Nendza basiert auf den zeitlosen Akkordwechseln des Standards „Blue in Green“, um dessen Urheberschaft sich die Erben von Bill Evans und Miles Davis womöglich immer noch streiten. Für ein harmonieinstrumentloses Trio ist die Darstellung der farbenreichen Akkordstrukturen in diesem heftig modulierenden Werk eine Herausforderung und steht in dieser Dichte für eine neue Facette in der Musik von „Tria Lingvo
Good Reason
An den Geburtstag eines Freundes denken – weit entfernt. Aber doch ein Grund zum Feiern und für Dankbarkeit. Und um innezuhalten und Melodien zu lauschen.
Die hier benutzte Kalimba ist chromatisch und erlaubt Melodien, die weit von Afrika weg und tief in den Jazz führen. Hier bewahrheitet sich einmal mehr ein Zitat aus der „jazzthetik“: „Ganz schön vielsprachig, was das deutsche Jazz-Trio da wieder auf die Beine gestellt hat
Voyage
Inspiriert von Christian Gaillys Roman "Un soir au club". Eine Autofahrt durch die Nacht zum Totenbett seiner Mutter. Ach! ... und da ist die Katze!
Und immer wieder Gailly, dessen Kurzromane Johannes Lemke allesamt verschlungen hat. Hier macht sich das Trio mit Simons Sohn, dessen Freundin und der Hauskatze auf eine beschwerliche Fahrt zur tödlich verunglückten Mutter. Hierzu erklingen über dem pulsierenden Bass-Groove mit dem Saxophon die grellen Scheinwerfer des Gegenverkehrs. Die Katze indes entwischt bei einer Rast und findet sich erst zum Schluss am Fußende des Totenbettes wieder. Eine Vorliebe zu Programmmusik lässt sich hier nicht ganz verleugnen.
Steve is Stuck
Das Fünfte für Steve! Er und M-Base inspirierten meine Freunde, die mich inspirieren. Der M- rollt unaufhaltsam.
Der Weltenbummler Hillmann lässt in der Werkreihe um „Steve“ andere Roots und seine Nähe zur Jazzavantgarde aufblitzen. Abstrakte Melodien, verschachtelte Rhythmen und Zyklen erinnern an kammermusikalische Adaptionen der Musik Steve Colemans, Greg Osby und ihrer aktuellen Nachfahren.
Malev
Auf dem Rückweg von einem Konzert, irgendwo im Norden. Nach einer Nacht voll Wein und einer flüchtigen norwegischen Bekanntschaft, und unser unvermeidliches Gespräch über Peer Gynt.
2011, auf dem Jazz, Folk & Bike Festival in Syke, lernt das Trio die beiden norwegischen Musiker Tone Hulbaekmo und Hans Fredrik Jacobsen kennen. Die Gespräche drehen sich schnell um die norwegische "Seele“. Ibsens Drama „Peer Gynt“ wird erwähnt. Ein Stück, das Johannes Lemke mit 18 las und das ihn zeitlebens fesselt. Schnell klingt Griegs Musik nach und verschmilzt auf der Rückfahrt nach Köln mit der Erinnerung an den viel zu frühen Tod einer guten Freundin zu einem neuen Stück. Hier dient die Musik der autobiografischen Reflexion und Verarbeitung des Geschehenen.
Bio’s der Musiker und viele weitere Infos gibt es hier:
www.trialingvo.de