Duo Oxymoron – Scented Rushes

Poesie aus dem Zusammenprall von Gegensätzen und Kontrasten als angesagtes Prinzip. Eine Stilfusion aus klassischen Spieltechniken und Reminiszenzen an Jazz, Blues, Tango, zeitgenössischer Musik und barocker Improvisationslust

 

Oxymoron: Eine sprachliche Stilfigur, die für das Berliner Duo aus Harfe (Anna Steinkogler) und Akkordeon (Valentin Butt) namengebend war.

 

Die beiden Musiker verbinden Tradition mit Innovation, kombinieren Jazz, Klassik und Neo-Klassik stilsicher, mit Mut zum Experiment, getrieben von Lust am Neuen. Steinkogler und Butt haben naturgemäß kein Interesse an der Aufrechterhaltung von Kategorien wie U- und E-Musik. Hier haben sich zwei gefunden, die gemeinsam etwas Kraftvolles, Ungehörtes, intensiv Emotionales entstehen lassen wollen.

Mangels Rollenvorbilder für diese außergewöhnliche Besetzung erschaffen sie durch die spannungsgeladene Verbindung instrumentaler und stilistischer Gegensätze ein spannendes, ganz und gar eigenständiges Klanguniversum mit einer individuellen Ästhetik, virtuos und poetisch zugleich.

„Imagination is the only weapon in the war against reality“  (Lewis Caroll)

 

Es klingt nach einem Märchen: Grenzen überwinden. Widersprüche in Magie verwandeln. Extreme nach Lust und Laune inszenieren oder verschmelzen. In „Scented Rushes“, dem Debut-Album des DUO OXYMORON, gelingt dies dem Akkordeonisten Valentin Butt und der Harfenistin Anna Steinkogler mit erfrischender Leichtigkeit.

 

Mit seiner entdeckungslustigen Klangsprache erfindet das Duo die älteste Erzählkunst neu, lässt enge Grenzen und klischeebeladene Schubladen hinter sich, durchdrungen vom verspielten Geist und hintergründigen Humor der literarischen Vorlage: „Scented Rushes“ ist Hommage und zugleich komplizenhaftes Augenzwinkern an Lewis Carroll, Autor der beiden Alice-Romane. In seinen skurrilen Texten führt der Mathematikprofessor aus Oxford genüsslich Denkgewohnheiten und Regeln ad absurdum – ein Fest der Paradoxen, das Steinkogler und Butt als Inspirationsgrundlage für ihr Konzeptalbum auserkoren haben.

Märchensuite Scented Rushes

Das Album eröffnet mit der titelgebenden fünfsätzigen Märchensuite „Scented Rushes“. Eine maßgeschneiderte Eigenkomposition, in der vom ersten Ton an spürbar ist, wie vollendet hier mit den Klangeigenschaften des Gegenübers gespielt wird.

Eine Stilfusion aus klassischen Spieltechniken und Reminiszenzen an Jazz, Blues, Tango, zeitgenössischer Musik und barocker Improvisationslust. Die Herangehensweise an jeden einzelnen Satz variiert und wirkt sich auf Form und Farbe aus. Neben dem auskomponierten Stück darf die Skizze stehen, die sich spontan und während des Spiels füllt. Butts diskrete, unaufdringliche Nutzung des Akkordeon-Balgs, seine originelle und flexible Registrierung, die bewusst eingesetzten Verschiebungen der Tonlage, sorgen mit Steinkoglers kraftvollem Bass, expressiver Dynamik und auf der Harfe überraschend komplexer Harmonik für eine erstaunliche, weit über das Erwartbare hinausgehende Farbgebung.

Mit verspieltem Einfallsreichtum in der Klangerzeugung kreiert das DUO OXYMORON mit „Scented Rushes“ eine Märchensuite, die dem lebhaften Witz der literarischen Vorlage gerecht wird und zugleich ein umfangreiches Experimentierfeld weiterer Inspirationsquellen offenbart.

Märchensuite Ma Mère l’Oye

Eine dieser Inspirationsquellen, Maurice Ravels „Ma Mère l’Oye“ (Mutter Gans), spiegelt mit ihren fünf Sätzen die Eigenkomposition „Scented rushes“.

Intim und kammermusikalisch einerseits, schöpft das DUO OXYMORON andererseits mit seiner Besetzung aus dem Vollen, um Ravels Facettenreichtum zur Blüte zu bringen. Wie die komplexen Obertongefüge von Harfe und Akkordeon verschmelzen, sich die doppelt vorhandenen breiten Registerlagen in verschiedenen Frequenzbereichen ergänzen – das ist großes Orchester.

Maurice Ravel begab sich mit dieser Suite auf die Suche nach der Poesie der Kinderseele und erhob eine gewisse Naivität zum Stilprinzip, anknüpfend an die Erzählkunst von Charles Perrault, dessen elegante Bearbeitung französischer Zaubermärchen die Brücke zwischen den Erzähltraditionen des Mittelalters und der Neuzeit schlägt.

Mit sparsamen Mitteln, kleinen Gesten und Liebe zum zarten Detail wagen Steinkogler und Butt extreme Register in Höhe und Tiefe, genießen die (nur scheinbare) Leere des Notentextes und beschwören in ihrer Interpretation eine große Palette an zarten Farben. Es entsteht ein kristallines Klanggemälde, eine gelungene Gratwanderung zwischen Leichtigkeit und Tiefgründigkeit.

Komposition Parvis

Kontraste sind angesagtes Prinzip auf diesem Album. Da ist es nur konsequent, abschließend mit DUO OXYMORON an den Ort zu ziehen, der Forum für die mittelalterlichen Ursprünge der märchenhaften Erzählkunst war und dessen Ambivalenz eine lange Tradition hat. In seinem Stück „Parvis“, im Original für zwei Harfen, knüpft der zeitgenössische belgische Komponist Bernard Andrès an Glanz und Kraft mittelalterlicher Rituale an. Auf dem „Parvis“, dem Kirchplatz, prallen Sakrales und Profanes aufeinander: Marktgeschrei und Glockengeläut, Pferdegetrappel und Prozessionen, Leben und Sterben.

Raffinierter Spannungsaufbau, frenetische Ekstase und explosionsartige Entladung: Steinkogler und Butt zeigen in ihrer Neuinterpretation einmal mehr, dass die Vermischung verschiedener Tonsprachen keinen Widerspruch darstellt, sondern zukunftsweisend ist.

Mit Scented Rushes gelingt DUO OXYMORON ein tiefgründig verspieltes Konzeptalbum: Inspirationsquellen der traditionsreichen Erzählkunst und der modernen Musik prallen aufeinander und verschmelzen schließlich poetisch ineinander.

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VÖ: 05.07.2024

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