Eyal Lovett – Where Do We Go From Here?

Ein Geschichtenerzähler: Mit diesem Album drückt Pianist und Komponist Eyal Lovett in seiner Musik eine Mischung aus Schmerz und Hoffnung aus, die in eine ungewisse Zukunft führt. Musik, die von der großen Musikalität seiner Instrumentalisten und seinen beeindruckenden Feinheiten lebt.

 

„Es war ein spontaner Versuch, die grauenhaften Ereignisse zu verarbeiten. Während Israel einen Albtraum erlebte, erschien mir in meiner Wahlheimat Dänemark alles ruhig und friedlich“, erinnert sich der Pianist und Komponist Eyal Lovett. Viele Stücke seines neuen Albums Where Do We Go From Here? entstanden unmittelbar nach den Hamas-Anschlägen vom 7. Oktober. „Unsere Familien leben in Israel – in einer Gesellschaft, in der sich viele Menschen orientierungslos und überfordert fühlen. Viele von ihnen wissen einfach nicht, wie es weitergehen soll.“

Dass Lovett ein talentierter Geschichtenerzähler ist, beweist der dramaturgische Aufbau des Albums. Es beginnt mit Childhood Games, das leicht, fast tänzerisch daherkommt. Es handelt von der engen Freundschaft, die Lovett seit Kindheitstagen mit dem israelischen Gitarristen Eran Har Even verbindet. „Ich wollte, dass das Album leicht und spielerisch startet“, erklärt der Komponist. Dagegen dominieren in Dark Days deutlich düstere Klänge. „Entstanden ist das Stück im Sommer. Schon damals hatte ich das unheilvolle Gefühl, dass dunkle Wolken über mir schweben und etwas Schreckliches passieren würde“ erinnert sich Lovett und ergänzt: „Vordergründing bezieht es sich auf die schwierige, schmerzhafte Zeit, die ich damals persönlich durchlebte. Aber natürlich greift es auch das allgemeine Gefühl auf, dass sich viele Dinge in die falsche Richtung entwickeln – inklusive der desaströsen Politik von Benjamin Netanjahu“. Gefühle, die Lovett und seine Trio-Kollegen Jan Sedlak (Kontrabass) und Yogev Shetrit (Schlagzeug) in einem famosen Zusammenspiel transportieren, das mit fortschreitender Dauer immer bedrohlicher wirkt.

Das Titelstück Where Do We Go From Here? entstand unmittelbar nach den Hamas-Anschlägen. „Normalerweise finde ich schnell eine Richtung, in die es musikalisch gehen soll. Aber dieses Mal tat ich mich damit sehr schwer, weil ich mir irgendwie verloren vorkam“, so Lovett. Er eröffnet das Stück mit einem nachdenklich wirkenden Klaviersolo, in das sich Bass und Schlagzeug gefühlvoll einklinken. Immer wieder verändern die drei Instrumentalisten ihr Tempo – ganz so, als ob sie nach Antworten suchen würden.

Ein bebendes, echoartiges Solo von Schlagzeuger Yogev Shetrit bildet den Auftakt von The Children. Es folgt eine stimmungsvolle Klaviermelodie, die an einen Trauermarsch erinnert. „Es ist ein Klagelied für die Kinder, die in diesen Tagen ihr Leben verloren. Wir konnten nur einen Take spielen, weil wir am Ende beide weinen mussten“, gibt Lovett Einblicke in die emotional äußerst herausfordernden Momente beim Einspielen. Gleiches gilt für das mantraartige A Prayer for Healing aus der Feder von Shetrit.

The Wheat Grows Again stammt eigentlich von Haim Barkani, der das Stück den Opfern des Jom-Kippur-Kriegs von 1973 gewidmet hat. „Der Titel verwendet die Metapher des neuen Lebens, nachdem viele Menschen aus unserer Mitte gerissen wurden. Aber dieses traurig-schöne Stück erinnert auch daran, dass es weiterhin Dinge gibt, für die es sich zu leben und an die es sich zu glauben lohnt“, so Lovett zur Botschaft der Komposition.

Yogi – der Spitzname von Yogev Shetrit – hat Lovett für seinen Schlagzeuger geschrieben, „Er ist ein Meister der nordafrikanischen Musik, denn seine Eltern stammen aus Marokko – und dieses Stück ist meine Interpretation der Rhythmen und Klänge dieser Region. Wir verwenden hier einen 6/8 Gnawa Groove – eine rhythmusbetonte nordafrikanische Musik“, erklärt der Komponist.

Under Mediterranean Skies – eine Komposition von Shlomo Artzi aus den 1980er Jahren – handelt von der Paradoxie des Lebens in Israel. „Ein Land, in dem alles so schön und die Menschen warmherzig sind, sich aber viele von ihnen gegenseitig bekämpfen.“, so Lovett.

In Lovetts Musik finden sich zahlreiche, ganz verschiedene Einflüsse: von Johann Sebastian Bach über Bill Evans bis zu Daniel Barenboim, außerdem israelische, arabische, südländische und afrikanische Klänge, sowie Songwriter und Bands aus den 1960er und 1970er Jahren. Dennoch gelingt es Lovett auf Where Do We Go From Here? seine eigene musikalische Sprache zu finden.

Während die tragischen Ereignisse in Israel und dem Gazastreifen das Album dramaturgisch flankieren, drückt Lovett in seiner Musik eine Mischung aus Schmerz und Hoffnung aus, die – mit Blick auf den Albumtitel – in eine ungewisse Zukunft führt. Ein Album, das von der großen Musikalität seiner Instrumentalisten und seinen beeindruckenden Feinheiten lebt.

Eyal Lovett music

Berthold Records  BR324106 / LC 27984 / 4250647324106 / Vertrieb: Cargo

 VÖ: 6.12.2024

Fotos I Cover