Johanna Klein Quartet – Cosmos

Egal auf welchen Wellenlängen wir in den interstellaren Funkverkehr reinzuhorchen versuchen, egal in welche Himmelsrichtung wir unsere Radioteleskope ausrichteten: Außer Rauschen bislang nichts. Selbst also Musik aussenden, durch sie ausdrücken, wie wir unsere Welt wahrnehmen und welche Gefühle wir in uns tragen.

Der Albumtitel Cosmos steht für das Zusammenwirken von Ordnung und Chaos in meiner Musik“, sagt Saxofonistin Johanna Klein. Die Wahl-Kölnerin erinnert ihr Instrument in vielerlei Hinsicht an die menschliche Stimme. „Beide sind Mittel zum Ausdruck von Emotionen, Gefühlen und Gedanken“, beschreibt Klein die entsprechenden Parallelen.

Mit Blick auf den Albumtitel erklärt sie: „Der Begriff Kosmos funktioniert auf drei Ebenen. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet Ordnung – ein komplexes und geordnetes System, das im Gegensatz zu den Begriffen ‘Chaos‘ oder ‘Freiheit‘ steht. Als Jazz-Musiker stellt man sich oft die Frage, wieviel man im Vorfeld festlegt und wieviel künstlerische oder improvisatorische Freiheiten man lässt. Zweitens bezieht es sich auf den Kosmos als Universum. Seine Farben, Himmelskörper, die Explosionen, Magnet- und Gravitationsfelder – das alles inspiriert mich. Und dann ist da, als dritte Ebene, der Mikrokosmos – die kleine Welt der Menschen. In meiner Vorstellung ist jeder von einem Mikrokosmos umgeben. Auf diesem Album möchte ich meinen vorstellen.“

Flux, zum Beispiel, beschreibt das Element Wasser. „In vielen Sprachen bedeutet der Begriff so viel wie ‘fließen‘, deshalb wollte ich ein Stück schreiben, das diese Bewegung beschreibt. Das Gitarrenriff und die Melodie funktionieren zwar unabhängig voneinander, aber verzahnen sich immer wieder – wie zwei Wellen, die ab und zu ineinanderfließen und sich dann wieder voneinander weg bewegen.“

Juno bezieht sich auf die gleichnamige Raumsonde, die den Gasplaneten Jupiter erforscht. „Wenn ich die Fotos sehe, die die Sonde macht, entsteht bei mir ein bestimmtes Gefühl, das ich einzufangen versuche.“

Phobos und Deimos heißen die beiden Monde des Planeten Mars. „Mir gefällt der Klang beider Wörter. Deimos klingt wie ‘Diamanten‘ oder ‘Dämonen‘“, so Klein. In beiden Stücken hat sie Einflüsse aus der Rock- und Popmusik verarbeitet.

Bei Volkslied sah sie Bilder einer Menschengruppe vor sich, deren Mitglieder zusammensitzen und dabei ihre Bräuche und Traditionen pflegen. Mit ihrem Saxofon imitiert sie, wie die Menschen miteinander sprechen, singen und feiern.

Eden ist eine Anspielung auf den Garten Eden und die langen Diskussionen, die sie mit ihrem Bruder darüber geführt hat. Eine Komposition, deren Anmutung ebenso verführerisch wie quälend ist.

Carpe Diem und Carpe Noctem („nutze den Tag“ und „nutze die Nacht“) stehen in musikalischem Kontrast zueinander. „Das erste ist ein energetisches Stück und dem Tag und seinen Routinen und Aufgaben gewidmet. Das Bass-Riff zieht sich durch das Stück, wie die Vorgänge und Routinen im Alltag. Das zweite Stück steht für die Nacht – eine Zeit, in der die meisten Menschen schlafen und die Stille einen umgibt. Diese besondere Stimmung kann total inspirierend sein für den Kompositionsprozess – so auch für dieses Stück.“

Finis, eine ältere Komposition, ist eher kurz gehalten und hat eine klassische Anmutung. „Jedes Instrument hat hier seine eigenständige Melodie, die mit den

anderen verflochten und verstrickt ist. Ein einfaches Stück – vielleicht sogar mehr Barock als Jazz. In jedem Fall ein guter Schlusspunkt“, findet Klein.

Eingespielt hat sie Cosmos mit drei hochkarätigen Kölner Musikern. Leo Engels (Gitarre), Nicolai Amrehn (Kontrabass) und Jan Philipp (Schlagzeug) komplettieren ihr Quartett. „Die Drei spielen mit sehr viel Expressivität und Sensibilität. Sie verstehen es, meine musikalischen Ideen umzusetzen und mit zu formen – dafür bin ich sehr dankbar“, lobt die Bandleaderin die Qualitäten ihrer Spielgefährten.

Ihre musikalischen Ideen, die häufig beim Spazierengehen entstehen, hält sie meistens auf dem Klavier oder ihrem Smartphone fest und vervollständigt sie dann an ihrem Instrument. Ihr Saxofonspiel fällt weniger in die Kategorie „laut und hochvirtuos“, dennoch ist ihr Sound überaus feinsinnig und kraftvoll. Andrew D’Angelo, Christian Weidner und Ornette Coleman sind als Einflüsse deutlich zu hören, manchmal wird sie auch mit Paul Desmond verglichen.

hren Quartett-Kollegen, mit denen sie die Grenze zwischen den Musikgenres verschwimmen lässt, konnte sie 2019 den jazz@undesigned award gewinnen. Im Rahmen des damit verbundenen Stipendiums entstand Cosmos. Eine gehaltvolle Mischung aus durchdachter, anspruchsvoller und hochgradig unterhaltsamer Musik.

https://johannakleinmusic.com/

Berthold Rec/4250647321020/LC27984/Vertrieb: Cargo

Veröffentlichung: 21. 05. 2021

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