Nefertiti – Live In Paris
Camille Maussion – Saxophones
Delphine Deau – Piano
Pedro Ivo Ferreira – Double Bass
Pierre Demange – Drums
Wer bei Nefertiti an Miles Davis denkt, liegt damit nicht falsch – ganz im Gegenteil! Denn das gleichnamige Album des Ausnahme-Trompeters aus dem Jahr 1968 diente im vorliegenden Fall in doppelter Hinsicht als Inspiration: als Bandname und als Soundmodell. Das von Wayne Shorter komponierte Stück stellt die üblichen Rollen der Instrumente auf den Kopf. Statt der Blechbläser improvisiert hier die Rhythmusgruppe über einer Melodie, die von Trompete und Saxofon wiederholt wird. „Zuerst dachten wir an die legendäre Königin aus dem Alten Ägypten. Und weil unsere Band zur Hälfte aus Frauen besteht, gefiel uns der Name. Dass wir auch stilistisch in die Richtung von Miles Davis und Wayne Shorter gingen, bemerkten wir erst wesentlich später“, erinnert sich Pianistin und Komponistin Delphine Deau an die Anfänge des Nefertiti Quartets.
Mittlerweile gibt es das französisch-italienische Quartett seit zehn Jahren, was mit Live in Paris gebührend gefeiert wird. Auf dem Live-Album lassen die vier Musiker mit ihrer Mischung aus traditionellen, polyrhythmischen und experimentellen Klängen einen regelrechten Sog entstehen. „Nicht im Studio aufzunehmen war eine ziemliche Herausforderung, machte aber Vieles auch einfacher, da wir uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren konnten“, erklärt Bassist Pedro Ivo Ferreira. Komponistin Deau ergänzt: „Auf der Setlist stand zwar nur ein neues Stück – aber wir haben uns auch bei den älteren Stücken viele Freiheiten gegönnt und große Teile gemeinsam neu arrangiert.“
Nefertari birgt ein Geheimnis, das Deau gerne für sich behalten möchte. „Wir wurden mal gefragt, ob wir ‘Nefertiti‘ von Wayne Shorter spielen. Das haben wir verneint, weil wir dieser großartigen Komposition nicht hätten gerecht werden können. Aber dann haben wir es auf unsere Art doch gewagt. ‘Nefertari‘ klingt ähnlich wie ‘Nefertiti‘, ist letztlich aber doch anders. Ich möchte aber, dass das Publikum selbst herausfindet, was diese beiden Stücke verbindet – und was sie unterscheidet.“ Eine ebenso freundliche wie charmante Einladung der Pianistin, dem Stück aufmerksam zu lauschen – oder eines der Bandkonzerte zu besuchen.
Maelstrom/Follow my Lead besteht aus zwei Teilen – einer auskomponierten Passage und einer ziemlich chaotisch anmutenden Improvisation. „Wobei sich der eine Teil aus dem anderen ergab. Sie ließen sich nicht trennen“, erklärt Deau.
TTT! ist eine zweiteilige Zwölfton-Komposition mit starker Rhythmusbetonung. „Die Idee hatte unser Schlagzeuger Pierre Demange, der sich leidenschaftlich mit afrikanischer Musik und Rhythmik beschäftigt. Zum Einsatz kommt hier unter anderem eine Röhrentrommel aus dem Senegal, die Sabar. Pierre spielt sich aber ungerne in den Vordergrund, sondern stellt sich lieber in den Dienst der Band“, so Deau. Komplettiert wird das Quartett von Camille Maussion, die mit ihrem virtuosen Saxofonspiel in jeder Hinsicht beeindruckt. „Sie liebt Improvisationen und teilt ihre Emotionen gerne mit Band und Publikum, was in Vague à l’Âme (Melancholy) besonders gut zu hören ist. Eine Komposition mit schöner Melodie, auf die eine freie Improvisation folgt und die mit einer melancholischen Note endet, während sich Danse Futuriste mit seinem groovenden, zupackenden Charakter als idealer Rausschmeißer bewährt hat“, so die Pianistin.
Bassist Ferreira gilt als Stütze der Band – sowohl musikalisch als auch menschlich. „Es gibt zwei Pole in der Band, die gut miteinander harmonieren“, beschreibt Deau die Bandchemie und erläutert: „Die beiden Frauen sind von der kommunikativen Sorte und interagieren mit dem Publikum, während die Männer eher cool und bodenständig herüberkommen. Das ergänzt sich bei Auftritten perfekt.“ Ferreira wiederum schätzt die vielseitigen Qualitäten seiner Pianistin. „Delphine kümmert sich nicht nur um das Organisatorische, sondern lässt uns als Komponistin auch genügend Freiheiten, unsere Persönlichkeiten einzubringen. Sie war die erste Person, der ich nach meiner Ankunft aus Brasilien in Paris begegnet bin. Das war vor zehn Jahren und ich konnte kaum ein Wort Französisch. Ich ging auf sie zu und sie gab sich alle Mühe zu verstehen, was ich ihr sagen wollte. Ein paar Tage später haben wir gemeinsam Musik gemacht.“
Seitdem sind zehn Jahre vergangen – und das Nefertiti Quartet, das 2019 die Euroradio Jazz Competition gewinnen konnte, hat sich mit seiner spannungsgeladenen, bahnbrechenden Musik eine große Fangemeinde erspielt.
BERTHOLD records / BR323048 / LC 27984 / 4250647323048 / Vertrieb: Cargo
VÖ: 26.05.2023