Phillip Dornbuschs Projektor – Reconstruct
Eine unverwechselbare Sprache, komplex, kreativ und mit klarer Ansage: Phillip Dornbuschs Projektor macht sich mit Vielschichtigkeiten, komplexen Klangfarben und gegeneinanderlaufenden Rhythmen gegen Rassismus stark.
Rassismus ist für Phillip Dornbusch schon lange ein Thema, auch wenn er selbst nicht davon betroffen ist. Für das zweite Album mit seiner Band Projektor nähert er sich dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven an – und spinnt damit den Kerngedanken des viel beachteten Debütalbums „Reflex“ weiter. Die neun Kompositionen behandeln politische und gesellschaftliche Themen der Gegenwart. Als Grundlage dafür hat Dornbusch mehrere Gespräche mit von Rassismus Betroffenen geführt – und seine Eindrücke daraus sowie einige Zitate in die Musik einfließen lassen.
Elementarer Teil dieses mutigen Albums ist aber auch Dornbuschs eigener Reflektionsprozess: „Ich will mich nicht damit schmücken, dass ich das mache. Sondern es soll vor allem den Prozess des Lernens verdeutlichen, der auch bei mir noch nicht abgeschlossen ist.“ Die Hörer*innen sollen sich durch das Album ermutigt fühlen, sich mit ihrer persönlichen Haltung zum Thema Rassismus auseinandersetzen und sich gegen ihn zu engagieren. Von dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe handelt auch das Stück „Inescapable Network of Mutuality“ – ein Zitat der Civil-Rights-Movement-Ikone Martin Luther King –, das viel Platz für freie Soli und kontrastreiche Parts lässt.
So eine Musik entsteht nicht von heute auf morgen. In drei längeren Probephasen hat die Band sich über ein Jahr verteilt die vielschichtigen Kompositionen angeeignet, verändert und transformiert. „Das war eine intensive Zeit“, erinnert sich Dornbusch. Viele Teile, Klangfarben und Strukturen entstanden erst durch die Probearbeit mit dem Quintett. „Diese Musik ist nicht mal so eben musikalisch möglich, wenn man sich nicht ausgiebig mit ihr beschäftigt.“ Dieser Prozess resultiert in einem gemeinsamen Vertrauen und einer Wachsamkeit beim Spielen, die man hören kann: In „Doubts“, worin Dornbusch seine Selbstzweifel vertont hat, deutet er zunächst einige Male eine Saxofon-Phrase erst an, bevor er sie schließlich ganz ausspielt und dann die Mitspieler*innen darauf reagieren und zum nächsten Teil der Komposition übergehen.
Auseinandernehmen und neu Zusammenbauen. Das bezieht sich nicht nur auf Dornbuschs Kompositionen im Probeprozess, sondern auch auf den Titel: „re|construct“ ist eben nicht bloße Rekonstruktion – es ist viel mehr. Gemeint ist damit die Transformation, die Erschaffung von etwas Neuem – stets als gemeinsamer Prozess. Dieser Gedanke meint nicht nur die Musik, sondern auch die Gesellschaft und formuliert Dornbuschs Wunsch, dem er „re|construct“ widmet.
Die Band Projektor lernte sich über das Studium und im Bundesjazzorchester kennen.
Charakteristisch für die fünf Musiker*innen aus Berlin und Köln ist ihre unverwechselbare Sprache und der sehr eigene Umgang mit dem Material, dem Dornbusch viel Raum lässt. Zweimal bekommen sie dabei Verstärkung: auf „Anthem“, einer Hymne an die Kulturlandschaft, von Sängerin Lina Knörr und auf „In Art We Trust“ von Rapper Juju Rogers, einer feurigen Anklage von Rassismus – auch – in Deutschland.
Dabei ist den Musiker*innen wichtig, keine banale Botschaft zu zementieren. Sie spielen mit Vielschichtigkeiten, komplexen Klangfarben und gegeneinanderlaufenden Rhythmen. Das, was „schön“ klingt, wird konstant entfremdet. Wenn „Anthem“ auf schwebenden Akkorden aufbaut, dann eckt die Melodie, will nicht schweben, sondern springen und stolpern. Diese Chiffrierung ist ein typisches Tool von Dornbusch.
Die Kompositionen laden ein zum Zuhören: Sie schimmern, grooven und regen zum Nachdenken über Heute an. Aufgenommen wurden sie im Januar 2022 im JRS-Studio in Berlin von Martin Ruch.
Berthold Records BR323093 /LC 27984 / 4250647323093 / Vertrieb: Cargo
VÖ: 14.4.2023
Live
03.05.2023 Villa Sponte Bremen
04.05.2023 JAKI Köln
05.05.2023 Sounds Jazzclub Brüssel
06.05.2023 Ono2 Frankfurt a.M.
07.05.2023 Tonhalle Hannover